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Der Schutzengel

Der Schutzengel

Titel: Der Schutzengel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dean R. Koontz
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Mercedes gelang die Richtungsänderung besser, obwohl Lauras Abbiegen für seinen Fahrer überraschend gekommen sein mußte. Auf der kurvenreichen Bergstraße verkürzte er den Abstand erneut auf etwa 30 Meter.
    Dann auf 25 Meter. Auf 20 Meter.
    Über den Nachthimmel im Süden flackerten plötzlich grellweiße Blitze: nicht so nahe wie die vorigen, die sie zu Hause erlebt hatten, aber nahe genug, um die Nacht zum Tage zu machen. Der Donner übertönte selbst das Röhren des Jeepmotors.
    »Mommy, was ist hier los?« fragte Chris, der das Naturschauspiel mit angehaltenem Atem beobachtete. »Was hat das zu bedeuten?«
    »Keine Ahnung«, antwortete sie und mußte schreien, um die Kakophonie aus Motorenlärm und Donnergrollen zu übertönen.
    Laura hörte keine Schüsse, aber sie hörte, wie der Jeep von Kugeln getroffen wurde, spürte den Schlag, mit dem eine durchs Heckfenster kommende Kugel sich in ihre Rückenlehne bohrte. Um den Killern das Zielen zu erschweren, lenkte sie den Jeep in wildem Zickzack über die Straße, wobei ihr im flackernden Schein der Blitze fast schwindlig wurde. Der Schütze mußte das Feuer eingestellt oder nicht mehr getroffen haben, denn Laura hörte keine Einschläge mehr. Durch das Fahren im Zickzack war sie jedoch langsamer geworden, und der Mercedes kam unaufhaltsam näher.
    Statt des Rückspiegels mußte sie die beiden Außenspiegel benützen. Obwohl das Heckfenster noch weitgehend intakt war, zogen sich Hunderte von feinen Sprüngen durch das Sicherheitsglas und machten es undurchsichtig.
    Noch 15 Meter, nur noch 10 Meter.
    Laura fuhr über eine Kuppe und sah, daß die asphaltierte Fahrbahn nach etwa der Hälfte der vor ihr liegenden Gefällestrecke endete. Sie hörte auf, Zickzacklinien zu fahren, und gab statt dessen Gas. Als der Jeep den Asphalt verließ, wäre er beinahe ins Schleudern geraten, aber dann faßten die grobstolligen Reifen in Eis und Geröll. Der Jeep rumpelte über mehrere Querrillen, durch eine Senke, in der Bäume ein geschlossenes Dach über ihnen bildeten, und die nächste Steigung hinauf.
    In den Außenspiegeln beobachtete Laura, wie der Mercedes die Senke durchquerte und die Steigung in Angriff nahm. Als der Jeep eben die Kuppe erreichte, begann der Wagen hinter ihnen zu schlingern, geriet ins Schleudern, so daß seine Scheinwerfer plötzlich über den Straßenrand hinausleuchteten. Der Fahrer korrigierte mit zu hastigen Lenkausschlägen und gab zuviel Gas. Die Hinterräder des Mercedes drehten durch, der Wagen kam nicht nur zum Stehen, sondern rutschte zurück, bis sein rechtes Hinterrad in den Straßengraben geriet. Die Scheinwerfer strahlten jetzt schräg über die Bergstraße hinweg in den Nachthimmel.
    »Sie sitzen fest!« rief Chris.
    »Dort rauszukommen dauert mindestens eine halbe Stunde.«
    Laura fuhr über die Kuppe und hatte im Scheinwerferlicht das nächste Gefälle der dunklen Bergstraße vor sich.
    Obwohl Laura Jubel oder zumindest Erleichterung hätte verspüren müssen, war ihre Angst unvermindert da. Sie ahnte, daß sie noch keineswegs in Sicherheit waren, hatte vor über zwei Jahrzehnten gelernt, ihren Ahnungen zu vertrauen – wie in jener Nacht, als sie vermutete, der Weiße Aal werde auf der Suche nach ihr ins McIllroy kommen, und dann die von ihm zurückgelassene Tootsie Roll unter ihrem Kopfkissen fand. Ahnungen waren schließlich nichts anderes als Botschaften des Unterbewußtseins, das ständig höchst aktiv war und Informationen verarbeitete, die man nur unbewußt aufgenommen hatte.
    Irgend etwas stimmte hier nicht. Aber was?
    Auf der engen, kurvenreichen, vereisten Bergstraße mit ihren zahlreichen Schlaglöchern und Querrillen kamen sie nur mit Tempo 30 voran. Eine Zeitlang folgte die Straße einem baumlosen Felsgrat, um dann in Serpentinen auf den Boden einer Schlucht hinunterzuführen, in der die Bäume auf beiden Straßenseiten so dicht standen, daß ihre Stämme im Scheinwerferlicht massive Kiefernwände zu bilden schienen.
    Auf der Ladefläche des Jeeps murmelte ihr Beschützer im Fieber unverständliche Worte vor sich hin. Laura machte sich Sorgen um ihn; sie wäre gern schneller gefahren, aber sie hatte Angst, ebenfalls im Graben zu landen.
    Nachdem sie ihre Verfolger abgeschüttelt hatten, schwieg Chris zunächst einige Kilometer lang. »Im Haus … hast du im Haus einen von ihnen erwischt?« fragte er dann.
    Sie zögerte. »Ja, zwei.«
    »Gut!«
    Die aus diesem Wort sprechende grimmige Freude beunruhigte Laura. »Nein, Chris,

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