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Der Schutzengel

Der Schutzengel

Titel: Der Schutzengel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dean R. Koontz
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aufhören konnte. Der Arzt hat ihm eine Spritze geben müssen, und Denny ist abtransportiert worden. Emotional gestört, haben sie gesagt.« Ruth war nahe daran, in Tränen auszubrechen. »Wir haben ihn nie wiedergesehen.«
    Thelma legte ihrer Schwester eine Hand auf die Schulter. »Ruth hat Denny gern gehabt«, erklärte sie Laura. »Er ist ein netter Junge gewesen. Klein, schüchtern, lieb … und völlig chancenlos. Deshalb darfst du dem Weißen Aal nichts durchgehen lassen. Er darf nicht merken, daß du dich vor ihm fürchtest. Sobald er aufdringlich wird, kreischt du. Und trittst ihm in die Eier.«
    Tammy kam aus dem Bad zurück. Sie sah die anderen Mädchen nicht an, sondern streifte ihre Hausschuhe ab und schlüpfte wortlos unter die Bettdecke.
    Obwohl die Vorstellung, Tammy gebe sich Sheener hin, Lauras Abscheu erregte, betrachtete sie die schmächtige Blondine eher mit Mitleid als mit Verachtung. Nichts verdiente mehr Erbarmen als dieses kleine, einsame, niedergeschlagene Mädchen in seinem schmalen Bett mit der durchgelegenen Matratze.
    In dieser Nacht träumte Laura von Sheener. Er hatte einen Menschenkopf, aber den Körper eines Aals, und wohin Laura auch rannte, Sheener glitt hinter ihr her, wobei er sich unter geschlossenen Türen hindurchschlängelte und auch jedes andere Hindernis überwand.
    Entsetzt von dem eben Gesehenen, war Stefan aus dem Hauptlabor des Instituts in sein Büro im zweiten Stock zurückgekehrt. Er saß an seinem Schreibtisch, stützte den Kopf in beide Hände und zitterte vor Angst, Wut und Abscheu.
    Willy Sheener, dieser rothaarige Schweinehund, würde Laura wiederholt vergewaltigen, halb totschlagen und seelisch in einem Zustand zurücklassen, von dem sie sich nie mehr erholen würde. Das war nicht nur eine mögliche Entwicklung; sie würde ganz sicher eintreten, wenn Stefan nichts dagegen unternahm. Er hatte die Folgen gesehen : Lauras verschwollenes Gesicht, ihre aufgeplatzten Lippen und ausgeschlagenen Zähne. Das schlimmste waren ihre Augen gewesen, so trübe und ausdruckslos – die Augen eines Kindes, für das es weder Freude noch Hoffnung mehr gab.
    Kalter Regen trommelte gegen die Bürofenster, und dieser Laut schien in ihm widerzuhallen, als hätten die entsetzlichen Dinge, die er gesehen hatte, ihn ausgehöhlt, als leere Hülle zurückgelassen.
    Er hatte Laura im Lebensmittelgeschäft ihres Vaters vor dem Junkie gerettet, und nun trat schon der nächste Kinderschreck auf! Zu den Erfahrungen, die Stefan bei den Experimenten des Instituts gemacht hatte, gehörte auch, daß das Schicksal sich nicht so leicht ummodeln ließ. Es bemühte sich, den ursprünglich vorgesehenen Ablauf zu nehmen. Vielleicht war es Laura unabänderbar vorausbestimmt, vergewaltigt und psychisch kaputtgemacht zu werden. Möglicherweise konnte er gar nicht verhindern, daß das früher oder später eintrat. Vielleicht konnte er sie nicht vor Willy Sheener retten – oder, wenn er es tat, vielleicht erschien dann ein weiterer Vergewaltiger auf der Bildfläche. Aber er mußte es versuchen.
    Diese toten, freudlosen Kinderaugen …
    Im McIllroy Home waren 76 Kinder untergebracht, alle zwölf Jahre oder jünger, denn die 13jährigen wurden ins Jugendheim Caswell Hall in Anaheim überwiesen. Da der eichengetäfelte Speisesaal nur Platz für 40 Kinder bot, wurden die Mahlzeiten in zwei Schichten serviert. Laura gehörte ebenso wie die Akkerson-Zwillinge zur zweiten Schicht.
    Als Laura an ihrem ersten Morgen im Heim zwischen Thelma und Ruth in der Cafeteria anstand, sah sie, daß Willy Sheener einer der vier war, die bei der Essensausgabe hinter der Theke standen. Er sorgte dafür, daß genügend Milch da war und gab mit einer Kuchenzange Cremeschnitten aus.
    Während Laura in der Schlange vorrückte, konzentrierte der Aal sich mehr auf sie als auf die Kinder, die er zu bedienen hatte.
    »Laß dich nicht von ihm einschüchtern!« flüsterte Thelma ihr zu.
    Laura versuchte, Sheeners Blick – und seiner Herausforderung – kühn zu begegnen. Aber diese Blickduelle wurden jedesmal von ihr abgebrochen.
    »Guten Morgen, Laura,« sagte er, als sie vor ihm stand, und legte ihr eine eigens für sie aufgehobene Cremeschnitte auf den Teller. Sie war fast doppelt so groß wie die anderen – mit mehr Maraschinokirschen und Zuckerguß darauf.
    Am Donnerstag, ihrem dritten Tag im Heim, mußte Laura in Mrs. Bowmaines Büro im Erdgeschoß ein Wie-haben-wir-unsdenn-eingewöhnt-Gespräch mit der Sozialarbeiterin über sich

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