Der Schutzengel
Überraschung des Agenten kaufte Viking, gleich der erste Verlag, dem Keene die Rechte angeboten hatte, das Buch für bescheidene, aber durchaus achtbare 15 000 Dollar, und der Vertrag wurde am Freitag, dem 14. Juli, unterzeichnet – zwei Tage vor Lauras und Dannys Hochzeitstag.
Das Gebäude, das er von der Straße aus entdeckt hatte, war ein Restaurant, das unter gewaltigen Ponderosa-Kiefern verstecktstand. Die mächtigen Äste der über sechzig Meter hohen Baumriesen mit ihrer tief zerfurchten Rinde trugen 15 Zentimeter lange Zapfen und bogen sich unter der Last früherer Schneefälle. Sie schützten das ebenerdige Blockhaus so gut, daß dessen Schieferdach mehr mit Kiefernadeln als mit Schnee bedeckt war. Die Fenster waren beschlagen oder mit Eisblumen überzogen, und das ins Freie fallende Licht wirkte durch diese dünne Schicht auf dem Glas angenehm warm.
Auf dem Parkplatz vor dem Gebäude standen zwei Jeeps, zwei Lieferwagen und ein Thunderbird. Stefan war froh, daß niemand ihn aus dem Restaurant sehen konnte, als er an einen der Jeeps trat, den Wagen unabgesperrt vorfand, sich hineinsetzte und die Tür schloß.
Er zog seine 9,65-mm-Pistole Walther PPK/S aus dem Schulterhalfter, den er unter seiner Seemannsjacke trug, und legte sie auf den Beifahrersitz.
Seine Füße schmerzten vor Kälte, und er hätte sich am liebsten die Zeit genommen, den Schnee aus seinen Stiefeln zu kippen. Aber er war bereits in Zeitnot und durfte keine Minute verlieren. Außerdem waren seine Füße nicht erfroren, solange er sie noch spürte; vielleicht wurden sie unter der Autoheizung wieder warm.
Der Zündschlüssel steckte nicht. Stefan schob den Fahrersitz zurück, beugte sich vor, und es gelang ihm verblüffend schnell, die Zündung kurzzuschließen.
Stefan hatte sich eben wieder aufgerichtet, als der Jeepbesitzer, dem eine deutliche Bierfahne vorauswehte, die Wagentür aufriß. »He, was haben Sie in meinem Wagen zu suchen?«
Der Parkplatz dahinter war menschenleer. Die beiden waren im Schneetreiben allein.
Laura hatte nur noch 25 Minuten zu leben.
Die Fäuste des Jeepbesitzers packten zu. Stefan ließ sich hinter dem Lenkrad hervorziehen, griff dabei nach seiner Pistole und warf sich dem Mann sogar entgegen, so daß der andere auf dem vereisten Parkplatz rückwärtstaumelte. Beide gingen zu Boden. Stefan war obenauf und rammte dem Mann die Mündung seiner Waffe unters Kinn.
»Jesus, Mister! Nicht schießen!«
»Wir stehen jetzt auf. Langsam, verdammt noch mal, keine plötzlichen Bewegungen!«
Als sie wieder auf den Beinen waren, trat Stefan rasch hinter den Mann, faßte seine Walther am Lauf und schlug einmal zu: so fest, daß der andere das Bewußtsein verlor, aber nicht fest genug, um ihn ernstlich zu verletzen. Der Jeepbesitzer ging erneut zu Boden und blieb schlaff liegen.
Stefan sah sich um. Sie waren noch immer allein.
Er hörte keinen Verkehr auf der Straße, aber im Heulen des Sturms konnte das Motorengeräusch eines herankommenden Wagens sehr wohl untergehen.
Der Schnee fiel dichter. Stefan steckte die Pistole in eine seiner tiefen Jackentaschen und schleifte den Bewußtlosen zum nächsten Wagen. Auch der Thunderbird war nicht abgeschlossen. Er hievte den Mann auf den Rücksitz, schloß die Tür und hastete zum Jeep zurück.
Der Motor war abgestorben. Stefan schloß die Zündung nochmals kurz.
Als Stefan auf die Straße hinausfuhr, pfiff eisiger Wind durch das einen Spalt weit offene Fenster. Der Schneefall wurde zum Blizzard, der Wind wirbelte Schneewolken auf, die im Scheinwerferlicht funkelnd über die Fahrbahn stoben. Die riesigen, in Schatten gehüllten Kiefern ächzten schwankend im Sturm. Laura hatte nur noch etwas über 20 Minuten zu leben.
Den Vertragsabschluß für »Die Nächte von Jericho« und das ungewöhnlich harmonisch verlaufene erste Ehejahr feierten sie, indem sie ihren Hochzeitstag in Disneyland verbrachten, das sie beide liebten. Der Himmel war wolkenlos blau, die Luft heiß und trocken. Ohne sich von dem sommerlichen Massenansturm stören zu lassen, fuhren sie mit den Karibikpiraten, ließen sich mit Mickymaus fotografieren, von einem Karikaturisten zeichnen, aßen Hot Dogs, Eiscreme und gefrorene Bananen mit Schokoladeguß und tanzten abends zur Musik einer Dixie-Band auf dem New Orleans Square.
Nach Einbruch der Dunkelheit wurde der Vergnügungspark erst recht zu einem Zauberland, und sie umfuhren zum drittenmal, eng umschlungen an der Reling auf dem Oberdeck stehend, mit
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