Der Schutzengel
in dem ein Basketball Platz gehabt hätte. Er stellte ihn auf den Eßtisch neben das Manuskript und warf Laura einen ernsten Blick zu. »Das ist für dich.«
Sie ignorierte den Geschenkkarton. »Sag’s mir!«
»Erst mußt du dein Geschenk auspacken.«
»Mein Gott, ist das Buch so schlecht? So mies, daß du den Schlag mit einem Geschenk abmildern mußt? Sag mir die Wahrheit! Ich halte alles aus. Augenblick!« Laura zog sich einen Stuhl heran und setzte sich. »Jetzt kannst du loslegen! Mich wirft nichts mehr um.«
»Dein Sinn fürs Dramatische ist überentwickelt, Laura.«
»Was soll das heißen? Daß mein Buch melodramatisch ist?«
»Nicht das Buch. Du. Zumindest in diesem Augenblick. Hörst du bitte endlich auf, die am Boden zerstörte Jungautorin zu spielen, und machst dein Geschenk auf?«
»Schon gut, schon gut, wenn ich mir das Geschenk ansehen muß, bevor du redest, mache ich eben das verdammte Geschenk auf!«
Sie hob den schweren Karton auf die Knie und riß das Geschenkband ab, während Danny sich ihr gegenübersetzte und sie beobachtete.
Obwohl der Karton aus einer teuren Geschenkboutique stammte, war Laura nicht auf seinen Inhalt gefaßt: eine riesige, prachtvolle Lalique-Schale aus klarem Glas mit zwei Handgriffen, die aus je zwei hüpfenden grünen Rauchkristallkröten bestanden.
Laura sah mit großen Augen auf. »So was Schönes hab’ ich noch nie gesehen, Danny!«
»Sie gefällt dir also?«
»Mein Gott, wieviel hat sie gekostet?«
»Dreitausend.«
»Das können wir uns nicht leisten, Danny!«
»Doch, das können wir.«
»Nein, das können wir wirklich nicht. Nur weil ich ein miserables Buch geschrieben habe und du mich trösten willst …«
»Du hast kein miserables Buch geschrieben. Du hast ein krötenwürdiges Buch geschrieben. Ein Vierkröten buch, wobei vier die höchsterreichbare Stufe ist. Diese Schale können wir uns genau deshalb leisten, weil du ›Shadrach‹ geschrieben hast. Dein neuer Roman ist ausgezeichnet, Laura, weit besser als dein erster. Dieses Buch ist, was du bist , und es leuchtet.«
In ihrer Aufregung und weil sie es so eilig hatte, ihn zu umarmen, hätte sie die Dreitausenddollarschale beinahe fallen lassen.
Die Fahrbahn verschwand jetzt unter einer dünnen Neuschneedecke. Der Jeep hatte Allradantrieb und Schneeketten, so daß Stefan trotz der schlechten Straßenverhältnisse einigermaßen schnell vorankam.
Aber nicht schnell genug.
Nach seiner Schätzung war das Restaurant, vor dem er den Jeep gestohlen hatte, rund 20 Kilometer vom Haus der Packards entfernt, das einige Kilometer südlich von Big Bear nahe der Staatsstraße 330 stand. Die schmalen Bergstraßen waren kurvenreich und wiesen starke Steigungen und Gefälle-strecken auf. Im Schneesturm war die Sicht so schlecht, daß seine Durchschnittsgeschwindigkeit bestenfalls 60 Stundenkilometer betrug. Er durfte jedoch nicht schneller fahren, denn Laura, Danny und Chris hatten überhaupt nichts davon, wenn er die Kontrolle über den Jeep verlor, von der Straße abkam und in den Tod stürzte. Bei dieser Geschwindigkeit würde er ihr Haus jedoch frühestens zehn Minuten nach ihrer Abfahrt erreichen.
Ursprünglich hatte er sie zu Hause festhalten wollen, bis die Gefahr vorüber war. Dieses Vorhaben ließ sich jetzt nicht mehr verwirklichen.
Der Januarhimmel schien von der Schneelast so tief herabgedrückt zu werden, daß es aussah, als berühre er die Wipfel der auf beiden Seiten der Straße aufragenden Baumriesen. Sturmböen schüttelten die Bäume und ließen selbst den Jeep erzittern. Schnee setzte sich an den Scheibenwischern fest und wurde rasch zu Eis. Stefan stellte die höchste Stufe der Scheibenheizung an und beugte sich nach vorn, um besser durch die unzulänglich von Eis und Schnee freigehaltene Scheibe sehen zu können.
Beim nächsten Blick auf seine Uhr stellte er fest, daß ihm weniger als eine Viertelstunde Zeit blieb. Laura, Danny und Chris stiegen jetzt in ihren Chevrolet Blazer. Vielleicht rollte der Wagen bereits aus der Einfahrt.
Er würde sie in letzter Sekunde vor dem Tod auf der Straße abfangen müssen.
Stefan bemühte sich, etwas mehr Geschwindigkeit aus dem Jeep herauszuholen, ohne aus einer Kurve getragen zu werden und in einen Abgrund zu stürzen.
Am 15. August 1979, fünf Wochen nach dem Tag, an dem Danny ihr die Lalique-Schale geschenkt hatte, stand Laura mittags in der Küche und machte sich eine Dose Hühnersuppe heiß, als ihr New Yorker Agent Spencer Keene anrief.
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