Der Schwarm
interessierte.
»Ich habe das Fiskehuset letztes Jahr übernommen«, sagte Sverdrup. »Tina war einige Male hier, aber wir haben uns eigentlich immer nur gegrüßt.« Er legte den Arm um ihre Schulter, und sie rückte näher zu ihm heran. »Bis letzte Woche.«
»Es war ungefähr so, als ob der Blitz einschlägt«, sagte Lund.
»Ja«, meinte Johanson, während er zum Himmel sah. Aus der Ferne näherte sich ein Knattern. »Das sieht man.«
Eine halbe Stunde später saßen sie im Helikopter, zusammen mit einem Dutzend Ölarbeitern. Johanson sah schweigend hinaus. Unter ihnen zog die eintönig graue, zerklüftete Oberfläche der See dahin. Immer wieder überflogen sie Gas- und Öltanker, Frachter und Fähren. Dann gerieten die Plattformen in Sicht. Seit eine amerikanische Ölgesellschaft in einer stürmischen Winternacht des Jahres 1969 Öl in der Nordsee entdeckt hatte, hatte sich das Nordmeer zu einer bizarr anmutenden Industrielandschaft gewandelt, die auf Pfählen ruhte und sichvon Holland bis zur Haltenbank vor Trondheim erstreckte. An klaren Tagen sah man von einem Boot aus Dutzende der gigantischen Plattformen auf einen Blick. Aus der Perspektive des Helikopters wirkten sie wie Spielzeug für Riesen.
Böen schüttelten die Maschine kräftig durch. Es ging auf und ab. Johanson rückte seinen Kopfhörer zurecht. Sie alle trugen Ohrenschützer und dicke Schutzanzüge. Es herrschte eine solche Enge, dass ihre Knie einander berührten und jede Bewegung koordiniert werden musste. Unterhaltungen fanden bei dem Lärm nicht statt. Lund hatte die Augen geschlossen. Sie flog zu oft hinaus, als dass ihr das Gerumpel etwas ausgemacht hätte.
Der Hubschrauber legte sich in die Kurve und drosch weiter nach Südwesten. Ihr Ziel, Gullfaks, war eine Ansammlung von Plattformen im Besitz der staatlichen Ölgesellschaft Statoil. Die Förderanlage Gullfaks C gehörte zu den größten Plattformen am oberen Nordseerand. Mit 280 Menschen bildete sie fast eine kleine Gemeinde. Genau genommen hätte Johanson dort nicht einmal aussteigen dürfen. Vor Jahren hatte er den vorgeschriebenen Kurs absolviert, den man nachweisen musste, um Zugang zu einer Plattform zu erhalten. Inzwischen hatten sich die Sicherheitsbestimmungen verschärft, aber Lund hatte ihre Kontakte spielen lassen. Ohnehin würden sie nur zwischenlanden, um gleich darauf an Bord der Thorvaldson zu gehen, die seit einer guten Stunde vor Gullfaks lag.
Eine heftige Turbulenz ließ den Helikopter plötzlich absacken. Johanson umklammerte die Sessellehnen. Niemand sonst reagierte. Die Passagiere, vorwiegend Männer, waren Stürme anderen Kalibers gewohnt. Lund drehte den Kopf, öffnete kurz die Augen und zwinkerte ihm zu.
Kare Sverdrup war schon irgendwie ein Glückspilz.
Ob der Glückspilz mit Lunds Lebenstempo Schritt halten konnte, würde sich erweisen.
Nach einer Weile ging der Helikopter runter und flog eine neuerliche Kurve. Das Meer kippte Johanson entgegen. Ein weißes Hochhaus kam in Sicht, das über dem Wasser zu schweben schien. Sie begannen mit dem Landeanflug. Einen Moment lang war Gullfaks C vollständig im Seitenfenster zu sehen. Ein Koloss auf vier Stahlbetonsäulen, eineinhalb Millionen Tonnen schwer, mit einer Gesamthöhe von fast vierhundert Metern. Über die Hälfte davon lag unter Wasser, wo die Säulen einem Wald von Tanks entwuchsen. Das weiße Hochhaus, der Wohntrakt, machte nur einen kleinen Bereich des Giganten aus. Der Hauptteil präsentierte sich dem Laien als Gewirr übereinandergeschichteter Decks, voll gestopft mit Technik und rätselhaften Maschinen, verbunden durch Bündel meterdicker Rohrleitungen, flankiert von Versorgungskränen und gekrönt von der Kathedrale der Ölarbeiter, dem Förderturm. Aus der Spitze eines riesigen stählernen Auslegers, weit draußen über dem Meer, schoss eine nie erlöschende Flamme – Gas, das vom Öl getrennt und abgefackelt wurde.
Der Helikopter sank der Landeplattform über dem Wohntrakt entgegen. Überraschend sanft setzte der Pilot auf. Lund gähnte, streckte die Glieder, soweit es die Enge zuließ, und wartete, bis die Rotoren zum Stillstand gekommen waren.
»Das war doch ganz angenehm«, sagte sie.
Jemand lachte. Die Ausstiegsluke wurde geöffnet, und sie kletterten ins Freie. Johanson trat an den Rand der Landefläche und sah hinunter. Knapp hundertfünfzig Meter unter ihm schäumten die Wellen. Ein schneidender Wind blähte seinen Overall.
»Gibt es eigentlich irgendwas, das so ein Ding
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