Im Rausch der Dunkelheit - Guardians of Eternity 5
PROLOG
J agr wusste, dass er in Vipers exklusivem Nachtclub Panik hervorrief. Das elegante Etablissement mit seinen Kristallkronleuchtern und den Polstermöbeln, die mit rotem Samt bezogen waren, zielte auf die zivilisierteren Angehörigen der Dämonenwelt ab.
Jagr war alles andere als zivilisiert. Er war ein Vampir, der einen Meter neunzig groß und einst ein Häuptling bei den Westgoten gewesen war. Aber es waren nicht seine blassgoldenen Haare, die ihm geflochten beinahe bis zur Taille reichten, oder die eisblauen Augen, denen nichts entging, die so manche Kreaturen, die über zumindest einen Funken von Intelligenz verfügten, dazu brachten, eilig vor ihm zu fliehen. Es war nicht einmal der Lederstaubmantel, der sich um seinen harten Körper blähte.
Nein, die Schuld daran trugen die kalte Perfektion seiner Gesichtszüge und die Anzeichen für den unbändigen Zorn, der in ihm glühte.
Dreihundert Jahre unaufhörlicher Folter hatten ihn jeglicher Spur von Höflichkeit beraubt.
Jagr beachtete die diversen Dämonen nicht, die in dem Versuch, seinen langen Schritten zu entgehen, über Stühle und Tische stürzten, und konzentrierte sich auf die beiden Raben, die die Tür zum Hinterzimmerbüro bewachten. Er reagierte
empfindlich auf die gedämpfte Atmosphäre von Vornehmheit, die an diesem Ort herrschte.
Er war ein Vampir, der die Einsamkeit seines Verstecks bevorzugte, welches unter den Straßen von Chicago verborgen lag, umgeben von seiner riesigen Bibliothek, sicher in dem Wissen, dass kein Mensch, kein Tier und kein Dämon die Fähigkeit besaß, dort einzudringen.
Er war jedoch nicht der vollkommene Einsiedler, für den ihn seine Vampirbrüder hielten.
Gleichgültig, wie mächtig, geschickt oder intelligent er auch sein mochte — er begriff, dass sein Überleben davon abhing, dass er die ständig in Wandlung begriffene Technik der modernen Welt verstand. Und darüber hinaus gab es die Notwendigkeit, in der Lage zu sein, mit der Gesellschaft zu verschmelzen.
Selbst ein Einsiedler musste sich ernähren.
Gut verborgen in der hintersten Ecke seines Verstecks befand sich ein Plasmafernsehgerät mit jedem Fernsehkanal, der der Menschheit bekannt war, und der Art von unauffälliger Kleidung, die es ihm erlaubte, sich in den zwielichtigeren Gegenden zu bewegen, ohne einen Aufruhr hervorzurufen.
Die meisten tödlichen Jäger wussten, wie sie sich auf ihren Streifzügen tarnen mussten.
Aber dieser Ort …
Er hätte sich lieber pfählen lassen, als hier herumzustolzieren wie ein Esel.
Verdammt sollte Styx sein.
Der uralte Vampir hatte gewusst, dass nur ein königlicher Befehl ihn dazu zwingen konnte, einen überfüllten Nachtclub zu betreten. Jagr machte keinen Hehl aus seiner Verachtung für die Gesellschaft anderer.
Das warf die Frage auf, weshalb der Anasso eine solche Umgebung für ein Treffen wählte.
Jagr, der in einer Stimmung war, die übel genug war, um den riesigen Club mit einer eisigen Kälte zu erfüllen, ignorierte die beiden Raben, die in der Nähe des Hinterzimmerbüros Wache standen. Er hob die Hand und sprengte mit seiner Macht die schwere Eichentür aus den Angeln.
Die drohend vor ihm aufragenden Raben knurrten warnend und warfen ihre schweren Umhänge ab. Unter ihnen kamen ihre zahlreichen Schwerter, Dolche und Feuerwaffen zum Vorschein, die an verschiedenen Körperteilen befestigt waren.
Jagr verlangsamte seinen Schritt kein einziges Mal. Styx würde es nicht zulassen, dass seine Lieblingsvampire einen geladenen Gast verletzten. Zumindest, bis Jagr ihm das geliefert hatte, was er haben wollte.
Und selbst wenn Styx die Hunde nicht zurückpfiff … Nun denn, er hatte Jahrhunderte darauf gewartet, im Kampf getötet zu werden. Das war das Schicksal eines Kriegers.
Aus dem Inneren des Zimmers drang leises Gemurmel, und die beiden Raben erlaubten ihm widerstrebend den Zutritt. Dabei wurde er von nichts Schmerzhafterem durchbohrt als einem zornigen Blick.
Jagr trat über die zerstörte Tür hinweg und hielt inne, um einen wachsamen Blick durch den in eisblauen und elfenbeinfarbenen Tönen gehaltenen Raum schweifen zu lassen. Wie erwartet nahm Styx, ein hoch aufragender Azteke, bei dem es sich um den augenblicklichen König der Vampire handelte, eine Menge Platz hinter einem schweren Schreibtisch aus Walnussholz ein. Der Ausdruck auf seinem bronzefarbenen Gesicht war nicht zu entziffern. An seiner Seite stand Viper, der Clanchef von Chicago, der mit seinem Silberhaar und seinen dunklen
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