Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Schwarm

Der Schwarm

Titel: Der Schwarm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank Schätzing
Vom Netzwerk:
drahtige, schwarze Locken nach allen Seiten. Eine getönte, überdimensionale Brille hielt sich mühsam auf der viel zu kleinen Nase, die sich trotzig gegen den froschartig breiten Mund behauptete, indem sie spitz hervorstach. Wann immer sich dieser Mund öffnete und das kolossale Kinn nach unten drückte, fühlte man sich auf fatale Weise an die Muppet Show erinnert.
    Dr. Stanley Frost stand auf dem Namensschild des Riesen, Vulkano loge.
    »Ich habe mir die Unterlagen im Vorfeld angesehen«, sagte Frost. Es klang, als predige er das Evangelium. »Und sie treffen keineswegs meinen Geschmack. Wir konzentrieren uns da auf Kontinentalabhänge im Umfeld dicht besiedelter Zonen.«
    »Ja, weil es dem norwegischen Muster entspricht. Zuerst wenige Tiere, dann über Nacht ganze Horden.«
    »Wir sollten uns nicht allein darauf konzentrieren.«
    »Wollen Sie ein zweites Nordeuropa?«
    »Major Peak! Sagte ich, wir sollten die Hänge außer Acht lassen? Das habe ich nicht gesagt! Ich sprach von der alleinigen Konzentration darauf, was – der Herr sei mein Zeuge – von gewaltiger Dummheit kündet. Mir ist das zu augenfällig. Der Teufel plant auf anderen Wegen.«
    Peak kratzte sich den Schädel.
    »Könnten Sie Ihre Ausführungen präzisieren, Dr. Frost?«
    Der Vulkanologe holte tief Luft. Sein Brustkorb spannte sich.
    »Nein«, sagte er.
    »Habe ich Sie richtig verstanden?«
    »Das will ich doch hoffen. Sollen wir Pferde scheu machen? Ich muss erst Klarheit haben. Denken Sie an meine Worte.«
    Er sah entschlossen in die Runde, das riesige Kinn vorgereckt, und setzte sich wieder.
    Na wunderbar, dachte Peak. Erst dieser Idiot, und jetzt der nächste.Vanderbilt wälzte seine Massen zum Pult. Li verfolgte ihn mit zusammengekniffenen Lidern. Sie sah zu, wie der Stellvertretende Direktor der CIA eine lächerlich kleine Brille auf seine Nase nestelte, was sie mit einer Mischung aus Belustigung und Widerwillen erfüllte.
    »Scheißviecher ist durchaus der richtige Begriff, Sal«, sagte Vanderbilt gut gelaunt. Er strahlte in die Runde, als habe er die Frohe Botschaft zu verkünden. »Aber wir werden den kleinen Scheißern Feuer machen, dass ihnen der Arsch glüht. Ich versprech's euch. – Gut, kommen wir zu dem, was wir vermuten. Viel ist es nicht. Das liebe Öl, von dem wir alle so abhängig sind, dass wir's am liebsten saufen würden, kaputschnik! In Wirtschaftsparametern ausgedrückt heißt das, wir können einen erheblichen Teil der weltweiten Produktion abschreiben. Für die Kameltreiber von der OPEC eine feine Sache. Die internationale Schifffahrt schlägt sich mit immer neuen Tricks der Natur herum, sie lahm zu legen, wie Peak wortreich demonstrieren konnte. Und der Terror zeigt Wirkung! Ich meine, unter uns – Wal- und Haiattacken, mal ehrlich, so was ist im Grunde Kinderkacke, höherer Blödsinn. Ich meine, es ist ärgerlich, wenn eine anständige amerikanische Familie nicht mehr raus zum Angeln kann, der Menschheit im Ganzen geht es am Arsch vorbei. Auch dass der kleine Fischer in Entwicklungshausen, von dessen täglicher Sardelle siebzehn Kinder und sechs Frauen leben müssen, mit hohlem Blick am Strand sitzt, weil er auf See befürchten muss, gefressen zu werden, ist unschön, sehr beschissen. Geschüttelt von aufrichtigem Bedauern können wir rein gar nichts tun. Die Menschheit hat andere Sorgen. Reiche Länder sind betroffen. Die bösen Fische lassen sich überhaupt nicht mehr fangen und schicken stattdessen mutierte Giftschleudern in die Netze, oder sie bringen Trawler zum Kentern. Auch wenn es Einzelfälle sind, es sind leider verdammt viele Einzelfälle. Und das ist blöde für Entwicklungshausen, weil sie nun gar nichts mehr von uns abbekommen.«
    Vanderbilt sah mit schlauem Blick über die Ränder seiner Brille.
    »Wissen Sie, Herrschaften, wenn einer die Welt vernichten wollte, könnte er zwei Drittel einfach schon dadurch kaputtkriegen, dass er die Großen und Reichen auf Trab hält. Er muss ihnen dermaßen zusetzen, dass sie kaum imstande sind, ihre eigenen Probleme zu lösen. Die Dritte Welt ist aber darauf angewiesen, dass ihr die Großen unter die Arme greifen. Sie lebt davon, hin und wieder den gerechten Zorn Amerikas zu spüren, einen kleinen Wechsel im Regime, dass wir uns mit ihren Drogenbossen einigen und Forderungen an Wirtschaftshilfe koppeln. Das alles fällt flach. Wir mögen es belächeln, wenn Wale aufBoote springen, weil das Wohl und Wehe unserer Wirtschaft nicht von Barken und Binsenbündeln

Weitere Kostenlose Bücher