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Der Schwarm

Der Schwarm

Titel: Der Schwarm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank Schätzing
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zum Beispiel, nach Sveggesundet zu fahren. So oder so würde sie noch leben.
    Immer wieder sagte er sich, dass es Irrsinn war, so zu denken.
    Immer wieder dachte er so.
    Frühes Sonnenlicht fiel ins Zimmer. Er hatte die Vorhänge offen gelassen, wie er es immer tat. Verhängte Schlafzimmer waren wie Gruften. Er überlegte, ob er aufstehen und frühstücken sollte, aber eigentlich hatte er keine Lust, sich überhaupt zu bewegen. Lunds Tod erfüllte ihn mit Traurigkeit. Er war nicht verliebt gewesen, aber auf unbestimmte Weise hatte er sie doch geliebt, ihre ruhelose Art, ihren Drang nach Freiheit. Darin hatten sie sich gefunden. Und verloren, weil es widersinnig war, Freiheit und Freiheit aneinander zu ketten. Vielleicht waren sie auch beide nur zu feige gewesen.
    Was nützte das jetzt?
    Auch ich werde irgendwann tot sein, dachte er. Seit Lund in der Welle umgekommen war, dachte er oft an den Tod. Nie hatte er sich alt gefühlt. Jetzt war es mitunter, als habe ihm die Vorsehung einen Prägestempel aufgedrückt, ein Mindesthaltbarkeitsdatum wie einem Becher Joghurt, und jemand schien ihn zu betrachten und zurück ins Regal zu stellen, weil er kurz davor stand abzulaufen. Er war 56 Jahre alt, inbemerkenswert guter Verfassung, der Statistik unfall- und krankheitsbedingter Todesfälle bislang von der Schippe gesprungen. Sogar einen heranrasenden Tsunami hatte er überlebt. Dennoch konnte kein Zweifel daran bestehen, dass seine Zeit ablief. Der größte Teil des Lebens lag unwiederbringlich hinter ihm. Und er fragte sich plötzlich, ob er es richtig gelebt hatte.
    Zwei Frauen in diesem Leben hatten ihm vertraut, und beide hatte er nicht schützen können. Die eine war vorübergehend gestorben, die andere für immer.
    Karen Weaver lebte.
    Sie erinnerte ihn an Lund. Weniger hektisch, verschlossen, von schwererem Gemüt. Dafür ebenso stark, zäh und ungeduldig. Nachdem sie der Riesenwelle entkommen waren, hatte er ihr seine Theorie unterbreitet und sie ihn im Gegenzug mit der Arbeit von Lukas Bauer vertraut gemacht. Schließlich war er zurück nach Norwegen geflogen, um sich auf der Obdachlosenliste wieder zu finden, aber die Gebäude der NTNU standen noch. Man überhäufte ihn mit Arbeit, bis ihn der Ruf aus Kanada ereilte, und er schaffte es nicht mehr hinaus zum See. Er schlug vor, Weaver mit ins Team zu nehmen, weil sie mehr als jeder andere über Bauers Arbeit wusste und in der Lage war, sie weiterzuentwickeln, aber insgeheim hatte er andere Gründe. Ohne den Helikopter hätte sie die Welle kaum überlebt. Insofern hatte er sie gerettet. Weaver erteilte ihm Absolution für sein Versagen bei Lund, und er war entschlossen, sich dessen würdig zu erweisen. Künftig würde er auf sie Acht geben, und dafür war es gut, sie in der Nähe zu wissen.
    Die Vergangenheit verblasste im Sonnenlicht. Er stand auf, ging duschen und erschien um 6.30 Uhr am Buffet, um festzustellen, dass er nicht der einzige Frühaufsteher war. In dem geräumigen Saal tranken Soldaten und Geheimdienstler Kaffee, aßen Obst und Müsli und führten gedämpfte Unterhaltungen. Johanson häufte sich einen Teller voll Rührei mit Speck und suchte nach einem Gesicht, das er kannte. Er hätte gerne mit Bohrmann gefrühstückt, aber der war nirgendwo zu finden. Stattdessen sah er General Commander Judith Li allein an einem Zweiertisch sitzen. Sie blätterte in einem Schnellhefter und pickte von Zeit zu Zeit ein Stück Obst aus einer Schale, das sie in den Mund schob, ohne es anzusehen.
    Johanson betrachtete sie. Li faszinierte ihn auf unbestimmte Weise. Er schätzte, dass sie jünger aussah, als sie war. Mit etwas Make-up und entsprechend gekleidet hätte sie den Mittelpunkt jeder Party abgegeben. Er fragte sich, was man unternehmen musste, um mit ihr ins Bettzu gehen, aber wahrscheinlich unternahm man besser gar nichts. Li sah nicht aus wie jemand, der anderen die Initiative überließ. Außerdem, eine Affäre mit einem General Commander der US-Streitkräfte, das ging nun wirklich zu weit.
    Li hob den Kopf.
    »Guten Morgen, Dr. Johanson«, rief sie. »Gut geschlafen?«
    »Wie ein Baby.« Er trat an ihren Tisch. »Was ist los, warum frühstücken Sie alleine? Die Einsamkeit des Vorgesetzten?«
    »Nein, ich wälze Probleme.« Sie lächelte und sah ihn aus ihren wasserblauen Augen an. »Leisten Sie mir Gesellschaft, Doktor. Ich hab gerne Leute um mich, die sich ihre eigenen Gedanken machen.«
    Johanson setzte sich.
    »Wie kommen Sie darauf, dass ich das

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