Der Schwarm
lachte und rieb sich den Nasenrücken.
»Du bist ausschließlich von Reflexen gesteuert«, fuhr Anawak ungerührt fort. »Für einen Neurophysiologen ein Kinderspiel, dich zu steuern. Er muss nichts anderes tun, als deine Reflexe zu kontrollieren und sie auf Wunsch auszulösen. Wie bei einer Prothese. Hauptsache, er weiß, wo bei dir die Knöpfe sitzen.«
»Haben sie nicht irgendwann mal eine Schabe geköpft und ihr den Kopf einer anderen aufgepflanzt«, fragte Ford, »und das Vieh ist gelaufen?«
»So ungefähr. Sie haben die eine Kakerlake geköpft und die andere ihrer Beine beraubt. Dann haben sie die zentralen Nervensysteme der Körper miteinander verbunden. Die Kakerlake mit Kopf übernahm die Steuerung des Laufapparats, als hätte sie nie einen anderen besessen. Genau das ist es, was ich meine. Simple Geschöpfe, simple Vorgänge. In einem anderen Experiment hat man etwas Ähnliches mit Mäusen versucht. Man transplantierte einer Maus einen zweiten Kopf. Sie lebte erstaunlich lange, ein paar Stunden oder Tage, glaube ich, und beideKöpfe schienen normal zu funktionieren, aber in der Steuerung wurde es natürlich kompliziert. Die Maus lief, aber sie lief offenbar nicht immer dorthin, wo sie hatte hinlaufen wollen, und meistens fiel sie nach ein paar Schritten um.«
»Widerlich«, murmelte Oliviera.
»Das heißt, steuern lässt sich im Grunde jedes Lebewesen. Nur, je komplexer es ist, desto größer werden die Schwierigkeiten. Wenn du jetzt den Aspekt der bewussten Wahrnehmung hinzunimmst, Intelligenz und kreatives, ichbezogenes Denken, wird es schon verdammt schwer, jemandem deinen Willen aufzuzwingen. Also was machst du?«
»Ich versuche, seinen Willen zu brechen und ihn wieder auf eine Küchenschabe zu reduzieren. Bei Männern funktioniert das, indem man sich ohne Höschen vor ihnen bückt.«
»Richtig.« Anawak grinste. »Weil nämlich Menschen und Küchenschaben gar nicht so weit auseinander liegen.«
»Einige Menschen«, bemerkte Oliviera.
»Alle Menschen. Wir sind zwar stolz auf unseren freien Geist, aber der ist nur so lange frei, bis du auf bestimmte Knöpfe drückst. Zum Beispiel aufs Schmerzzentrum.«
»Was bedeutet, dass derjenige, der die Gallerte entwickelt hat, sehr genau wissen muss, wie das Hirn eines Wals aufgebaut ist«, sagte Fenwick. »Ich meine, davon gehen Sie doch aus, oder? Das Zeug stimuliert Zentren im Gehirn.«
»Ja.«
»Aber dazu muss es wissen, welche.«
»So was lässt sich rausfinden«, sagte Oliviera zu Fenwick. »Denk an die Arbeit von John Lilly.«
»Sehr gut, Sue!« Anawak nickte. »Lilly war der Erste, der Elektroden in Tiergehirne implantierte, um Schmerz- und Lustzonen zu reizen. Er hat bewiesen, dass man Tieren durch gezielte Manipulation der Hirnbereiche Freude und Wohlbefinden oder Schmerz, Wut und Angst suggerieren kann. Bei Affen, wohlgemerkt. Affen kommen Walen und Delphinen am nächsten, was Komplexität und Intelligenz betrifft, aber es funktionierte. Er konnte die Tiere mit Hilfe von Elektroden vollkommen kontrollieren, indem er gezielt Reize für Bestrafung und Belohnung auslöste. – Und er war schon in den Sechzigern so weit!«
»Trotzdem, Fenwick hat Recht«, sagte Ford. »Alles gut und richtig, wenn du deinen Affen auf den OP-Tisch legen und an ihm rumfuhrwerken kannst. Aber die Gallerte muss durchs Ohr oder durch denKiefer eingedrungen sein. Sie hat dabei auf alle Fälle ihre Form verändern müssen. Selbst wenn du so ein Zeug in einen Walschädel bekommst – wie stellst du sicher, dass es sich dort in gewünschter Weise verteilt und auf die ... na ja, die richtigen Knöpfe drückt?«
Anawak zuckte die Schultern. Er war fest davon überzeugt, dass die Substanz in den Köpfen der Wale genau das tat, aber natürlich hatte er nicht die geringste Ahnung, wie sie es tat.
»Vielleicht musst du ja gar nicht so viele Knöpfe drücken«, erwiderte er nach einer Weile. »Vielleicht reicht es, wenn ...«
Die Tür öffnete sich.
»Dr. Oliviera?« Einer der Laborassistenten steckte den Kopf herein. »Entschuldigen Sie die Störung, aber Sie werden im Hochsicherheitstrakt verlangt. Umgehend.«
Oliviera sah sie der Reihe nach an.
»So was hatten wir bis vor wenigen Wochen noch gar nicht«, sagte sie kopfschüttelnd. »Man konnte gepflegt beieinander sitzen und sich ungestört über allen möglichen Blödsinn austauschen. Jetzt kommt man sich vor wie in einem James-Bond-Film. Alarm, Alarm! Dr. Oliviera bitte in den Hochsicherheitstrakt! Puh!«
Sie
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