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Der Schwarm

Der Schwarm

Titel: Der Schwarm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank Schätzing
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anderes mit ihm getan in diesem Moment –, aber sie wusste nicht, wie man von so was anfing, ohne wie ein Idiot dazustehen. Früher, vor der Radikalkur ihres Lebens, hatte sie wahllos genommen, was kam, aber das hatte nie mit Liebe zu tun gehabt. Jetzt fühlte sie sich schüchtern und blockiert. Wie flirtete man? Wie ging man miteinander ins Bett, wenn in der Nacht zuvor Menschen gestorben waren und die ganze Welt in einen Abgrund stürzte?
    Wie dämlich konnte man überhaupt sein?
    Die Schwimmhalle der Independence war riesig und erstaunlich komfortabel für ein Kriegsschiff, und der Pool hatte die Ausmaße eines kleinen Sees. Als sie den Bademantel fallen ließ, spürte sie Anawaks Blicke in ihrem Rücken. Unvermittelt wurde ihr klar, dass er sie das erste Mal so sah. Der Badeanzug war knapp geschnitten und im Rücken tief dekolletiert, und natürlich sah er das Tattoo.
    Verlegen trat sie an den Beckenrand, federte ab und tauchte mit einem eleganten Sprung ein. Die Arme von sich gestreckt, trieb sie dicht unter der Wasseroberfläche dahin und hörte, wie Anawak ihr nachkam. Vielleicht wird es hier passieren, dachte sie. Ein Fahrstuhl raste durch ihre Bauchhöhle. Zwischen Hoffen und Bangen, er könne sie einholen, begann sie, mit den Füßen zu schlagen und schneller zu schwimmen.
    Angsthase! Warum denn nicht?
    Einfach abtauchen und Liebe machen. Unter Wasser.
    Verschmelzen ...
    Plötzlich kam ihr eine Idee.
    Sie war geradezu lächerlich simpel und leider auch ziemlich pietätlos. Aber wenn sie funktionierte, war sie brillant. Dann konnte es gelingen, die Yrr auf friedliche Weise zum Rückzug zu bewegen. Oder wenigstens dazu, ihr Vorgehen zu überdenken.
    War die Idee wirklich brillant?
    Ihre Fingerspitzen berührten die Kachelwand des Pools. Sie tauchte auf und rieb das Wasser aus ihren Augen. Im nächsten Moment erschien ihr der Gedanke einfach nur vulgär. Dann wieder entfaltete erseinen verstörenden Reiz. Meter um Meter, den Anawak herankraulte, wurde sie unschlüssiger, was sie davon zu halten hatte, und als er fast heran war, kam ihr die Idee geradezu abscheulich vor.
    Sie musste darüber schlafen.
    Plötzlich war er ihr sehr nahe.
    Sie drückte sich gegen den Beckenrand. Ihr Brustkorb hob und senkte sich. Wie damals schlug ihr Herz, als sie im eisigen Kanalwasser gehangen hatte – dieses Fahrstuhlgefühl und das Hämmern ihres Herzens, das zu sagen schien: Jetzt... Jetzt... Jetzt...
    Sie spürte eine Berührung an ihrer Taille und öffnete die Lippen.
    Angst!
    Sag was, dachte sie. Irgendwas muss es geben. Irgendein Thema, über das man reden kann.
    »Sigur scheint's wieder besser zu gehen.«
    Die Worte kamen herausgesprungen wie Kröten. In Anawaks Augen trat ein Anflug von Enttäuschung. Er trieb ein Stück von ihr weg, strich das nasse Haar zurück und lächelte.
    »Ja, sein komischer Unfall.«
    Du voll verblödete, verdammte Idiotin!
    »Aber er hat ein Problem.« Sie legte die Ellbogen auf den Beckenrand und zog sich hoch. »Behalt's für dich. Er sollte nicht unbedingt wissen, dass ich damit hausieren gehe. Ich will nur deine Meinung hören.«
    Sigur hat ein Problem? Du hast ein Problem! Idiotin! Idiotin!!!
    »Was für ein Problem?«, fragte Anawak.
    »Er hat was gesehen. Besser gesagt, er meint, es gesehen zu haben. So, wie er die Sache schildert, glaube ich ihm, aber dann wäre die Frage, was es zu bedeuten hat und ... pass auf, ich erzähl's dir.«
     
     
    Kontrollraum
    Li hörte zu, wie Weaver Anawak über Johansons Zweifel ins Bild setzte. Reglos saß sie vor den Monitoren und lauschte dem Gespräch, das beide miteinander führten.
    Was für ein schönes Paar, dachte sie amüsiert.
    Der Inhalt des Gesprächs amüsierte sie weniger. Dieser dämliche Hund von Rubin hatte die ganze Mission gefährdet. Sie konnten nur hoffen, dass Johanson nicht noch mehr von dem einfiel, was die Droge aus seinen Hirnwindungen hatte tilgen sollen. Jetzt beschäftigte das Thema schon Weaver und Anawak!
    Warum gebt ihr euch bloß mit solchen Geschichten ab, Kinderchen, dachte sie. Böse Ammenmärchen von Onkel Johanson! Warum geht ihr nicht endlich miteinander ins Bett? Jeder Blinde sieht, dass ihr es wollt, nur ihr selber kriegt nichts auf die Reihe. Li seufzte. Wie oft war sie schon diesen unbeholfenen Annäherungen begegnet, seit Frauen und Männer zusammen in der Navy dienten. Es war jedes Mal so offensichtlich! Öde und profan. Alle wollten irgendwann miteinander ins Bett. Fiel den beiden da im Pool nichts

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