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Der Schwarm

Der Schwarm

Titel: Der Schwarm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank Schätzing
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Kopplung der Spezialrezeptoren nun die Aussage erfolgen ›Ich bin ein gesundes Yrr‹. – So weit, so gut. Allerdings gibt es Yrr, die nicht funktionsfähig und gesund sind, anders gesagt, deren DNA Defekte aufweist. Unser Feind ist ein massenhaft auftretender Organismus, der sich offenbar ständig höher entwickelt und darum gezwungen ist, Zellen, die nicht zur Höherentwicklung befähigt sind, auszusondern. Der Trick scheint zu sein, dass zwar alle Zellen einen Universalrezeptor besitzen, aber nur gesunde, zur Höherentwicklung fähige Zellen den Spezialrezeptor ausbildenkönnen. Kranke Yrr haben ihn einfach nicht. Und jetzt geschieht das eigentliche Wunder, das uns Angst machen muss. Das defekte Yrr verfügt nicht über die Parole. Es wird nicht zur Verschmelzung zugelassen, sondern abgestoßen. Das alleine reicht aber noch nicht – Yrr sind Einzeller, und wie alle Einzeller vermehren sie sich durch Teilung. Natürlich kann eine Spezies, die sich konstant höher entwickelt, nicht zulassen, dass eine defekte, zweite Population entsteht, also muss sie verhindern, dass die defekte Zelle Zeit findet, sich zu vermehren. An dieser Stelle übernimmt das Pheromon eine Doppelfunktion. Bei der Abstoßung bleibt es am Universalrezeptor des defekten Yrr hängen und wandelt sich zu einem schnell wirkenden Gift. Es leitet den so genannten Programmierten Zelltod ein, ein Phänomen, das bei Einzellern normalerweise unbekannt ist. Die defekte Zelle stirbt augenblicklich ab.«
    »Wie wollen Sie erkennen, dass ein Einzeller tot ist?«, fragte Peak.
    »Das ist einfach. Sein Stoffwechsel endet. Außerdem erkennt man ein abgestorbenes Yrr daran, dass es nicht mehr leuchtet. Leuchten ist für die Yrr eine biochemische Notwendigkeit. Ein bekanntes Beispiel dafür liefert Aequoria, eine Südseequalle. Um zu leuchten, produziert sie ein Pheromon.
    Hier ist es ähnlich: Wir haben die Abgabe eines Duftstoffes und dadurch bedingt ein Aufleuchten, und die starken Lichtentladungen, die Blitze, kennzeichnen besonders heftige biochemische Reaktionen in den Zellverbänden. Wenn Yrr leuchten, kommunizieren und denken sie. Wenn sie sterben, hört das Leuchten auf.«
    Oliviera sah in die Runde.
    »Ich will Ihnen sagen, was uns daran Angst machen sollte. Die Yrr haben mit wenigen Mitteln ein komplexes Ausleseverfahren ermöglicht. Ist ein Yrr gesund und verfügt über ein intaktes Rezeptorenpaar, leitet das Pheromon die Verschmelzung ein. Besitzt es keinen Spezialrezeptor, entfaltet das Pheromon seine tödliche Wirkung. – Eine Spezies, die so funktioniert, sieht den Tod mit anderen ›Augen‹ als der Mensch. Der Tod ist in der Yrr-Gesellschaft eine zwingend erforderliche Angelegenheit. Niemals würden die Yrr auf die Idee kommen, defekte Yrr zu schonen. Es wäre aus ihrer Sicht unverständlich, geradezu idiotisch. Man muss töten, was die eigene Weiterentwicklung bedroht. Es ist nur logisch. Auf die Bedrohung des Kollektivs reagieren die Yrr mit der Logik des Todes. Es gibt kein um Gnade Bitten, kein Mitleid, keine Ausnahme, ebenso wenig wie die Logik des Tötens etwas mit Grausamkeit zu tun hat. Solche Überlegungen sind den Yrr völligfremd. Sie werden ergo nicht begreifen, warum sie uns schonen sollen, da wir doch eine konkrete Bedrohung für sie darstellen.«
    »Weil ihre Biochemie keine dahin gehende Ethik zulässt«, schlussfolgerte Li. »So intelligent sie auch sein mögen.«
    »Also schön«, bemerkte Vanderbilt. »Was haben wir konkret davon, dass wir jetzt ihr kleines Chanel-No.-5-Geheimnis kennen? Wir können mit ihnen verschmelzen, wenn ich das richtig sehe. Toll. Ich könnte mit ihnen verschmelzen!«
    Crowe musterte ihn mit einem langen Blick.
    »Glauben Sie, die wollen das?«
    »Sie können mich mal.«
    »Es wäre nett, wenn ihr euch später prügelt«, sagte Anawak. »Karen und ich hatten nämlich eine Idee, wie man die Einzeller zum Denken bringen kann. Sigur, Mick und Sue raufen sich gerade die Haare darüber. Biologisch ist es ein Unding, aber es würde eine Menge Fragen beantworten.«
    »Wir haben unsere virtuellen Zellen mit einer künstlichen DNA programmiert und es so eingerichtet, dass sie ständig mutiert«, griff Weaver den Faden auf. »Was nichts anderes heißt als Lernen. Plötzlich waren wir wieder dort angelangt, wo wir begonnen hatten, nämlich bei einem Neuronencomputer. Ihr erinnert euch, wir hatten ein solches Elektronengehirn in seine kleinsten programmierfähigen Speicherplätze zerlegt und uns gefragt, wie sie

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