Der Schwarm
Richtung eines großen Gegenstandes. Das blaue Leuchten reichte kaum aus, um seine Form erkennen zu lassen, erhellte nur schwach zwei geöffnete Kuppeln. Mehr war von dem gesunkenen Deepflight, das schräg im Schlick der Tiefsee lag, nicht zu sehen.
Seit geraumer Weile füllte der Organismus das Tauchboot mit den weißen, gefrorenen Brocken. Inzwischen passte nicht mehr viel hinein, und der Nachschub versiegte. Ein Teil der Röhre schnürte sich ab, sank auf das Boot herab und begann es zu umhüllen. Die transparenteSubstanz zog sich um den Rumpf zusammen, verdichtete sich und drückte die Kuppeln herunter. Blau schimmernde Flächen breiteten sich aus und flossen ineinander, bis das komplette Boot in einer geschlossenen Umhüllung steckte, zu der sich ein langer, dünner Schlauch wand.
Der Schlauch begann zu pulsieren. Wasser wurde durch sein Inneres gepumpt. Wasser von weit her. Die hauchdünne Gallerte saugte es aus einem gewaltigen organischen Ballon, der ein Stück über dem Tauchboot hing, angefüllt mit wärmerem Wasser, das die Gallerte dem Schlammvulkan vor Norwegens Küste entnommen hatte. B edingt durch das warme und damit leichtere Wasser in seinem Innern hätte der Ballon zur Oberfläche emporsteigen müssen, aber sein Körpergewicht hielt ihn in perfekter Schwebe.
Wärme strömte in den Gallertsack, der das Tauchboot umhüllte.
Die weißen Brocken reagierten augenblicklich. Binnen Sekunden schmolzen die Kristallkäfige des Hydrats dahin. Explosionsartig blähte sich das komprimierte Methan zum Einhundertvierundsechzigfachen seines Volumens auf, füllte das Deep flight mit Gas und blies die gallertene Hülle auf, bis sie sich blähte und spannte. Der Gallertkokon trennte die Verbindung zum Schlauch und schloss sich. Kein Gas konnte mehr entweichen. Mit aller Kraft strebte es nach oben, langsam erst, dann, mit abnehmendem Druck ringsum, immer schneller, den Kokon und das darin eingeschlossene Tauchboot mit sich reißend.
Labor
Weaver, Rubin im Klammergriff und die Klinge an seinem Hals, kam nicht mal bis nach draußen. Die Labortür glitt auf. Drei Soldaten mit schwerer Bewaffnung stürmten ins Innere und legten auf sie an. Sie hörte Oliviera einen Entsetzensschrei ausstoßen und blieb stehen, ohne Rubin loszulassen.
Li betrat das Labor, gefolgt von Peak.
»Sie werden nirgendwo hingehen, Karen.«
»Jude«, ächzte Rubin. »Das wurde verdammt nochmal Zeit! Halten Sie mir diese Verrückte vom Leib.«
»Sie sind ganz still«, herrschte ihn Peak an. »Ohne Sie hätten wir diese Probleme nicht.«
Li lächelte.
»Mal ehrlich, Karen«, sagte sie in liebenswürdigem Tonfall. »Meinen Sie nicht, dass Sie ein bisschen überreagieren?«
»Angesichts dessen, was Mick so erzählt?« Weaver schüttelte den Kopf. »Nein, ich glaube kaum.«
»Was erzählt er denn so?«
»Oh, Mick war sehr gesprächig. Nicht wahr, Mick? Hast uns alles schön verraten.«
»Sie lügt«, krächzte Rubin.
»Er hat über Kettenreaktionen gesprochen, über Gift in Torpedohülsen und über Deep flight 3. Übrigens hat er auch erwähnt, dass Sie beide einen Ausflug machen wollen. In etwa ein bis zwei Stunden.«
»Tz, tz«, machte Li. Sie trat einen Schritt vor. Weaver packte Rubin und zerrte ihn zurück an Olivieras Seite. Die Biologin stand wie erstarrt neben dem Labortisch. Sie hielt immer noch den Phiolenkoffer mit dem Pheromonextrakt in ihren Händen.
»Wissen Sie, Mick Rubin ist vielleicht einer der besten Biologen der Welt, aber er leidet unter Minderwertigkeitsgefühlen«, sagte Li. »Er wäre so gerne berühmt. Die Vorstellung, dass sein Name nicht der Nachwelt überliefert werden könnte, macht ihn wahnsinnig. Das erklärt sein übertriebenes Mitteilungsbedürfnis, aber sehen Sie's ihm nach. Rubin würde seine Mutter verschachern für ein bisschen Ruhm.« Sie blieb stehen. »Aber das spielt jetzt keine Rolle mehr. Da Sie wissen, was wir vorhaben, werden Sie auch die Notwendigkeit dahinter erkennen. Ich habe mein Möglichstes getan, die Sache nicht eskalieren zu lassen, aber da neuerdings alle Bescheid zu wissen scheinen, bleibt mir ja wohl keine Wahl.«
»Nehmen Sie Vernunft an, Karen«, sagte Peak beschwörend. »Lassen Sie ihn frei.«
»Das werde ich nicht tun«, antwortete Weaver.
»Er wird gebraucht. Hinterher können wir über alles reden.«
»Nein, wir reden überhaupt nicht mehr.« Li zog ihre Waffe und richtete sie auf Weaver. »Freilassen, Karen. Auf der Stelle, oder ich knalle Sie ab. Das ist mein
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