Der Schwarm
schwamm an der verschlossenen Labortür vorbeibis zum Knick und spähte hinauf. Während Teile der Rampe inzwischen ebenen Boden bildeten, waren andere sehr steil geworden. Der Abschnitt zum Hangardeck ragte düster empor. Hoch oben hing eine dunkle Rauchglocke. Er würde auf allen vieren hinaufkriechen müssen. Ihm war kalt, trotz des Neoprenanzugs. Selbst wenn sie es schafften, mit dem Tauchboot wegzukommen, war das noch keine Garantie dafür, die Sache zu überleben.
Doch. Er musste überleben! Er musste Karen Weaver wiedersehen.
Entschlossen machte er sich an den Aufstieg.
Es ging einfacher, als er befürchtet hatte. Der Stahl der Rampe war geriffelt, um den Fahrzeugen und den marschierenden Marines, für die sie gedacht war, Halt zu bieten. Anawaks Finger klammerten sich ins Relief. Stück für Stück zog er sich hoch, verkeilte die Stiefel in den Streben, packte zu. Nach oben hin erhöhte sich die Temperatur, und er fror weniger. Dafür legte sich klebriger Rauch auf seine Lungen und saugte das letzte bisschen Atemluft heraus. Je höher er kam, desto undurchdringlicher wurden die Rauchschwaden. Vom Flugdeck drang wieder das brüllende Geräusch an seine Ohren.
Crowe hatte um Hilfe gerufen, als es bereits brannte. Wenn sie den Ausbruch des Feuers überlebt hatte, lebte sie vielleicht immer noch.
Keuchend zog er sich die letzten paar Meter hoch und stellte zu seiner Überraschung fest, dass die Sicht im Hangar besser war als auf der Rampe. Im Tunnel sammelte sich der Rauch, hier sorgten die Durchgänge der Außenlifts für Zirkulation. Sie brachten den Qualm ins Innere und ließen ihn zugleich wieder entweichen. Es war heiß und stickig wie in einem Backofen. Anawak presste den Jackenärmel vor Mund und Nase und rannte ins Hangardeck hinein.
»Sam!«, schrie er.
Keine Antwort. Was hatte er erwartet? Dass sie mit ausgestreckten Armen auf ihn zugelaufen kam?
»Sam Crowe! Samantha Crowe!«
Er musste wahnsinnig sein.
Aber besser wahnsinnig als zu Lebzeiten tot. Greywolf hatte Recht gehabt. Er war wie ein lebender Toter durch die Welt gegangen. Diese Art Wahnsinn hier hatte tausendmal mehr zu bieten.
»Sam!«
Welldeck
Johanson war allein.
Er zweifelte nicht daran, dass Floyd Anderson ihm ein paar Rippen gebrochen hatte. Zumindest fühlte es sich ganz so an. Jede Bewegung schmerzte höllisch. Als sie Rubins Leiche geborgen und ins Tauchboot verfrachtet hatten, hätte er mehrfach laut schreien können, aber er hatte die Zähne zusammengebissen, um nicht zum Problem zu werden.
Allmählich fühlte er seine Kräfte nachlassen.
Er dachte an den Bordeaux in seiner Kabine. Was für eine Schande! Gerade jetzt hätte ihm ein Glas davon geschmeckt. Es hätte zwar nicht die Rippenbrüche geheilt, aber der ganzen leidigen Angelegenheit eine erträglichere Note verliehen. Eben recht, um mit sich selber anzustoßen, denn außer ihm schien kein Genießer mehr am Leben zu sein. Überhaupt hatte von den vielen wunderbaren und widerwärtigen Menschen, die er in den letzten Wochen kennen gelernt hatte, kaum einer seinen ausgeprägten Sinn für das Schöne geteilt.
Wahrscheinlich war er doch ein Dinosaurier.
Ein Saurus Exquisitus, dachte er, während er das Deepflight 3 auf Pierhöhe absenkte.
Das gefiel ihm. Saurus Exquisitus. Genau das war er. Ein Fossil, das es genoss, Fossil zu sein. Fasziniert von Zukunft und Vergangenheit, die sich allzu oft mischten, sodass man oft gar nicht mehr wusste, in welchem Zeitalter man gerade lebte, weil Vergangenes und Zukünftiges gleichermaßen die Phantasie beflügelte.
Bohrmann ...
Der Deutsche hätte einen guten Bordeaux zu schätzen gewusst. Sonst niemand. Sue Oliviera hatte Spaß daran gefunden, aber ebenso gut hätte er ihr etwas halbwegs Trinkbares aus dem Supermarkt vorsetzen können. Wer aus dem Chateau-Disaster-Team war schon kultiviert genug, einen trinkreifen Pomerol zu schätzen, außer vielleicht...
Judith Li.
Er versuchte, ein letztes Mal den Schmerz in seinen Rippen zu ignorieren, sprang auf das Deepflight, stöhnte und blieb mit zitternden Knien in der Aufrechten. Dann hockte er sich hin, öffnete die Klappe mit der Verschlussmechanik und entriegelte die Hauben.
Langsam fuhren sie hoch und stellten sich senkrecht. Die beiden Röhren lagen offen vor ihm.
»Alles einsteigen«, trompetete er.
Bizarr! Einsam balancierte er im schräg stehenden Welldeck aufeinem Tauchboot. An was für Gestade einen das Leben doch verschlug. Judith Li?
Eher hätte er die
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