Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Schwarm

Der Schwarm

Titel: Der Schwarm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank Schätzing
Vom Netzwerk:
Weise hatte sie den Mann gemocht und bewundert.
    Unter anderen Umständen vielleicht...
    Ein Rumpeln ging durch das Schiff.
    Nein, es war zu spät, ihn zu entsorgen. Und eigentlich spielte es auch keine Rolle. Das Boot ließ sich ebenso gut vom Platz des Copiloten aus steuern. Die Funktionen waren übertragbar. Unter Wasser konnte sie Johanson immer noch loswerden.
    Irgendwo barst geräuschvoll Stahl.
    Li kroch hastig in die Röhre und schloss die Hauben. Simultan senkten sie sich herab und rasteten ein. Ihre Finger glitten über dieArmaturen. Leises Summen erfüllte den Innenraum, Reihen von Lichtern und zwei kleine Monitore flammten auf. Alle Systeme waren in Bereitschaft. Ruhig lag das Deepflight über dem schwarzgrünen Wasser der Grönländischen See, bereit, durch den drei Meter dicken Schacht in die Tiefe zu sinken, und Li fühlte sich von Euphorie durchdrungen. Sie hatte es doch noch geschafft!
     
     
    Refugium
    Johanson saß am See.
    Still lag er vor ihm, voller Sterne. Wie sehr hatte er sich gewünscht, noch einmal dorthin zurückzukehren. Er blickte auf die Landschaft seiner Seele und war durchdrungen von Ehrfurcht und Glück. Seltsam körperlos fühlte er sich, ohne eine Empfindung von Kälte oder Wärme. Etwas war anders als sonst. Ihm schien, als sei er selber der See, das kleine, dahinter liegende Haus, der verschwiegene, schwarze Wald ringsum, die Geräusche im Unterholz, der gescheckte Mond, alles. Er war all das, und alles war in ihm.
    Tina Lund.
    Wie jammerschade. Wie bedauerlich, dass sie nicht hier war. Er hätte ihr diese Ruhe gegönnt, den tiefen Frieden. Aber sie war tot. Gestorben in einer gewaltigen Auflehnung der Natur gegen den schimmelartigen Befall von Zivilisation, der sich die Küsten entlang zog. Einfach hinweggewischt, so wie alles hinweggewischt worden war, nur nicht dieses Bild auf seiner Netzhaut. Der See war ewig. Diese Nacht würde kein Ende finden. Und dem Alleinsein würde sich wohl tuendes Nichts anschließen, der finale Genuss des Egoisten.
    Wollte er das? Wollte er wirklich allein sein?
    Einerseits, warum nicht? Das Alleinsein hatte eine Reihe unschätzbarer Vorzüge. Man teilte die wertvolle Zeit mit sich selber. Man lauschte in sich hinein und bekam erstaunliche Dinge zu hören.
    Andererseits, wo verlief die Grenze zur Einsamkeit?
    Plötzlich verspürte er Furcht.
    Die Furcht schmerzte. Sie fraß sich in seine Brust, raubte ihm den Atem. Mit einem Mal war ihm kalt. Er begann zu schlottern. Die Sterne im See blähten sich zu roten und grünen Lichtern und gaben ein elektronisches Summen ab. Das ganze Bild verschwamm zu etwas Glänzendem, Eckigem, und er saß nicht mehr am See, war nicht mehr der See, sondern lag eingeengt in einem Tunnel, einem Rohr, einer Röhre.
    Schlagartig kehrte sein Bewusstsein zurück.
    Du bist tot, dachte er.
    Nein, ganz tot war er nicht. Aber er spürte, dass ihm nur noch wenige Sekunden blieben. Er lag im Innern des Tauchboots, das den Giftstoff in die Tiefe bringen sollte, um dem Verbrechen der Yrr, falls es eines war, mit einem noch größeren Verbrechen zu begegnen – einem Verbrechen an den Yrr und an der Menschheit.
    Vor ihm blinkten keine Sterne, sondern die Armaturen des Deepflight. Sie waren in Betrieb. Er hob den Blick, schaute durch die gläserne Kuppel und sah, wie die Kante des Welldecks nach oben verschwand.
    Sie waren in der Schleuse.
    Mit unglaublicher Willensanstrengung schaffte er es, den Kopf zu drehen. In der Nachbarröhre erkannte er Lis schönes Profil.
    Li.
    Judith Li hatte ihn erschossen.
    Fast erschossen.
    Das Boot sank tiefer. Vernietete Stahlplatten zogen vorbei. Gleich würden sie draußen sein. Nichts und niemand konnte Li dann noch hindern, ihre tödliche Fracht ins Meer zu entlassen.
    Es durfte nicht sein.
    Der Schweiß brach ihm aus, als er seine Hände unter seinem Oberkörper hervorschob und die Finger streckte. Fast verlor er darüber die Besinnung. Dort waren die Konsolen. Er lag in der Röhre des Piloten. Li hatte die Kontrollen zu sich hinübergeschaltet. Sie steuerte das Boot vom Platz des Copiloten aus, aber das ließ sich ändern.
    Ein Tastendruck, und die Kontrolle lag wieder bei ihm.
    Wo war die Umschaltfunktion?
    Roscovitz' Cheftechnikerin, Kate Ann Browning, hatte ihn geschult. Sie war sehr gründlich vorgegangen, und er hatte gut auf gepasst. Solche Dinge interessierten ihn. Das Deepflight verhieß den Beginn einer neuen Ära in der Tieftauchtechnik, und die Zukunft hatte Johanson seit eh und je

Weitere Kostenlose Bücher