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Der Schwarm

Der Schwarm

Titel: Der Schwarm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank Schätzing
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unterwegs gewesen. Ein müder kleiner Partikel, traurig und einsam.
    »Mama? Papa?«
    Sie muss sich zwingen, ihren Blick auf die Kontrollen zu lenken.
    Innendruck, okay. Sauerstoff, okay.
    Neigung: null.
    Null?
    Das Deepflight liegt waagerecht. Sie stutzt. Plötzlich ist sie wieder hellwach. Auch die Kontrolle für die Sinkgeschwindigkeit zeigt null an.
    Tiefe: 3466 Meter.
    Schwärze ringsum.
    Das Boot sinkt nicht mehr. Es liegt auf Grund. Sie hat den Boden des Grönländischen Beckens erreicht.
    Kaum traut sie sich, auf die Uhr zu sehen, weil sie Angst hat, etwas Schreckliches darauf zu erblicken – dass sie schon Stunden unten ist, dass sie nicht mehr genug Sauerstoff haben wird, um zur Oberfläche zurückzukehren, irgendetwas in dieser Art. Aber die Digitalanzeige verkündet in ruhigem Leuchten, ihr Sinkflug habe vor 35 Minuten begonnen. Sie war nicht wirklich weggetreten. Nur an die Landung kann sie sich nicht erinnern, aber offenbar hat sie alles richtig gemacht. Die Propeller sind gestoppt, die Systeme aktiv. Sie könnte sofort wieder aufsteigen.
    Und plötzlich beginnt es.
     
     
    Kollektiv
    Zuerst glaubt Weaver an eine Sinnestäuschung. Ein blauer Schimmer, schwach und in einiger Entfernung. Als habe jemand tiefdunkelblauen Staub von einer überdimensionalen Handfläche geblasen, wirbelt die Erscheinung auf und verlöscht wieder.
    Ein neues Aufleuchten, diesmal näher und großflächiger. Es bleibt und zieht sich in einem Bogen über das Boot hinweg, sodass Weaver nach oben schauen muss. Was sie erblickt, erinnert sie an eine kosmische Wolke. Es ist unmöglich zu sagen, wie weit entfernt und wie groß die Wolke ist, aber sie vermittelt ihr das Gefühl, nicht den Grund des Meeres, sondern den Rand einer fernen Galaxis erreicht zu haben.
    Dann verschwimmt das Blau. Einen Moment lang glaubt sie, es werde schwächer, um gleich darauf zu erkennen, dass sie einer Sinnestäuschung aufsitzt, denn tatsächlich geht diese Wolke in einer größeren auf, die sich langsam auf das Boot herniedersenkt.
    Plötzlich wird ihr klar, dass es keine gute Idee ist, auf dem Meeresboden zu liegen, wenn sie Rubin loswerden will.
    Und dafür ist jetzt der Moment. Jetzt oder nie.
    Sie kippt die Seitenflügel und startet die Propeller. Das Deepflight schürft ein kurzes Stück über den Boden, wirbelt Sediment auf und hebt ab. Blitze zucken über unermessliche, nachtschwarze Horizonte, und Weaver erkennt, dass die Verschmelzung eingesetzt hat.
    Das Kollektiv ist riesig.
    Von allen Seiten rast das blauweiße Leuchten heran. Das Deepflight hängt inmitten der verschmelzenden Wolke. Weaver weiß, dass die Gallerte zu einem äußerst zähen Gewebe kontraktieren kann – sie will lieber nicht darüber nachdenken, was mit ihrem Tauchboot passiert, wenn sich der Muskel aus Einzellern um sie schließt. Kurz hat sie das Bild einer Faust vor Augen, die ein rohes Ei zerdrückt.
    Sie ist etwas mehr als zehn Meter über dem Boden.
    Das muss reichen.
    Jetzt.
    Ein Fingerdruck, der alles entscheidet. Einmal nicht richtig hingeschaut, vor Nervosität oder Angst zittrig geworden, und sie öffnet die falsche Abdeckung und wird augenblicklich sterben. In dreieinhalbtausend Meter Tiefe herrscht ein Druck von 385 Atmosphären. Man verliert nicht unbedingt seine äußere Gestalt, aber definitiv sein Leben.
    Doch Weaver öffnet die richtige Haube.
    Neben ihr stellt sich die Abdeckung der Copilotenröhre senkrecht.Explosionsartig schießt Luft heraus und reißt Rubins Körper hoch und ein Stück nach draußen. Weaver beschleunigt ihr Unterwasserflugzeug, das mit geöffneter Röhre kaum noch steuerbar ist, und lässt es unvermittelt abstürzen, wodurch Rubin endgültig hinauskatapultiert wird. Vor dem blauweißen, näher rückenden Gewitter schwebt er als schwarze Silhouette. Der fremde Lebensraum zerquetscht sein Gewebe und seine Organe, zerdrückt seinen Schädel, bricht ihm unter dem Druck seiner eigenen Muskulatur die Knochen und presst seine Körperflüssigkeiten nach draußen.
    Alles ist erleuchtet.
    Rubins sich drehender Körper wird erfasst von Gallerte und gegen das fliehende Tauchboot gedrückt. Auch von der anderen Seite kommt der Organismus, von allen Seiten zugleich, von oben und unten. Er schmiegt sich um das Boot und Rubin, verfestigt sich, und Weaver schreit in Todesangst auf ...
    Das Boot ist frei.
    Fast ebenso schnell, wie die Yrr herangerast sind, haben sie sich wieder vom Boot zurückgezogen. Weit zurückgezogen. Wenn es überhaupt

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