Der Schwarm
nichtmenschlicher Intelligenz.
Ihr Blick verliert sich in dem blauen Gewölbe, bis sie den Scheitelpunkt erreicht, aus dem sich langsam etwas herabsenkt – ein Gebilde, dessen Unterseite die Tentakel entspringen. Es ist von annähernd runder Form und groß wie ein Mond. Unter der weißen Oberfläche huschen graue Schatten dahin. Komplizierte Muster entstehen für Sekundenbruchteile, Nuancen von Weiß in Weiß, symmetrisches Aufflammen, blinkende Reihen von Punkten und Linien, kryptische Codes, ein Fest für jeden Semiotiker. Auf Weaver macht das Wesen den Eindruck eines lebenden Computers, in und auf dem sich Vorgänge von ungeheurer Komplexität vollziehen. Sie sieht dem Ding beim Denken zu, und dann begreift sie, dass es für das ganze Drumherum mitdenkt, für die ganze gewaltige Masse, das blaue Firmament, und endlich wird ihr bewusst, was sie da sieht.
Sie hat die Königin gefunden.
Die Königin nimmt Kontakt auf.
Weaver wagt kaum zu atmen. Der tonnenschwere Druck hat die Flüssigkeiten in Rubin komprimiert, aber zugleich bewirkt er, dass sie den zerstörten Körper verlassen und sich im Wasser verteilen. Überall dort, wo sie ihm die Lösung gespritzt haben, wird konzentriertes Pheromon hinausgeschwemmt, auf das die Yrr instinktiv reagiert haben. Kurz hat die Verschmelzung stattgefunden, umso jäher endete sie. Immer noch ist Weaver unsicher, ob ihr Plan aufgehen wird. Aber wenn sie Recht behält, muss die Erfahrung das Kollektiv in babylonische Verwirrung gestürzt haben – mit dem Unterschied, dass man in Babylon einander zwar erkannte, jedoch nicht mehr verstand, während das Kollektiv versteht, ohne zu erkennen. Die pheromonische Botschaft wurde nie zuvor von etwas anderem verbreitet und verstanden als von Yrr. Das Kollektiv kann Rubin nicht erkennen. Eindeutig ist er derFeind, dessen Ausrottung man beschlossen hat, doch der Feind sagt: verschmelzen.
Rubin sagt: Ich bin Yrr.
Was mag in der Königin vorgehen? Durchschaut sie den Trick? Erkennt sie, dass Rubin natürlich kein Yrr-Kollektiv ist, dass seine Zellen fest zusammengewachsen sind, dass ihm die Rezeptoren fehlen? Er wird bei weitem nicht der erste Mensch sein, den die Yrr eingehend untersuchen. Alles, was sie finden, klassifiziert Rubin als Feind. Nach Yrr'scher Logik ist jemand, der nicht Yrr ist, entweder zu ignorieren oder zu bekämpfen, aber haben Yrr jemals Yrr bekämpft?
Können sie sicher sein?
Wenigstens in diesem Punkt hegt Weaver keinen Zweifel, und sie weiß, dass Johanson, Anawak und alle anderen es ebenso gesehen hätten. Die Yrr töten einander nicht. Sie stoßen kranke und defekte Zellen ab, und das Pheromon besorgt den Zelltod, aber das ist nicht viel anders, als wenn ein Körper abgestorbene Hautschuppen abstößt. Man würde nicht von einem Kampf der Körperzellen gegeneinander sprechen, weil sie zusammen ein einziges Wesen ergeben, und so ist es gewissermaßen auch mit den Yrr. Sie sind unzählige Milliarden und doch eines. Selbst verschiedene Kollektive mit verschiedenen Königinnen sind zuletzt ein einziges Wesen mit einem einzigen Gedächtnis, ein weltumspannendes Gehirn, das falsche Entscheidungen treffen mag, jedoch keinerlei moralische Schuld kennt, das Raum für individuelle Ideen schafft, ohne dass eine einzelne Zelle je Anspruch auf Bevorzugung geltend machen könnte, innerhalb dessen keine Strafen verkündet und keine Kriege geführt werden. Es gibt nur intakte und defekte Yrr, und was defekt ist, stirbt.
Doch niemals wird von einem toten Yrr ein pheromonischer Kontakt ausgehen wie von diesem Stück Fleisch in Menschengestalt, das ein Feind ist, das offenbar tot ist und doch beides nicht ist.
Karen, lass die Spinne in Ruhe.
Karen ist klein und hat ein Buch zur Hand genommen, um eine Spinne totzuschlagen, die ebenfalls klein ist, aber den unverzeihlichen Fehler begangen hat, als Spinne auf die Welt zu kommen.
Warum?
Die Spinne ist hässlich.
Das liegt im Auge des Betrachters. Wieso findest du die Spinne hässlich?
Blöde Frage. Warum ist eine Spinne hässlich? Weil sie es nun mal ist.Nichts schaut einen da mit kullerrunden Babyaugen an, nichts daran ist süß und zum Liebhaben, man kann sie nicht streicheln, sie sieht fremdartig aus und böse und so, dass sie weggehört.
Das Buch saust hinunter, und die Spinne ist Matsch.
Später, sehr bald schon, wird Karen diese Tat bitterlich bereuen, als sie vor dem Fernseher sitzt und eine weitere Folge von Biene Maja guckt. Dass Bienen okay sind, hat sie
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