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Der schwarze Atem Gottes

Der schwarze Atem Gottes

Titel: Der schwarze Atem Gottes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Siefener
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ersten Mal sehe ich dich in aller Deutlichkeit.
     
    »Wach endlich auf! Wir müssen los!«
     
    Ein Zucken durchlief Martin. Er schlug die Augen auf. Sah nichts als Schwärze. Noch immer rüttelte ihn etwas durch. Jetzt erkannte er Federlins Stimme. »Wir müssen ihnen sofort folgen!«
     
    Warum?,
wollte Martin sagen, aber er war noch immer zu benommen, um auch nur ein einziges Wort laut aussprechen zu können.
Wir sollten froh sein, dass sie alle fort sind.
Alle? Er wurde etwas wacher.
     
    »Maria ist auch verschwunden!«
     
    Nun war er mit einem Schlag hellwach. Er tastete in der Dunkelheit umher. Es stimmte. Sie war fort. Ruckartig erhob er sich.
     
    »Der Graf hat unsere Abmachung gebrochen. Ich vermute, dass er von Benjamins Frau doch noch etwas erfahren hat. Ich Idiot! Ich war einfach zu müde, um das zu erkennen. Ich bin solche Anstrengungen nicht mehr gewöhnt. Wir müssen uns sputen, wenn wir sie noch einholen wollen. Wenn wir zu spät kommen, ist alles verloren!«
     
    Martin sprang auf die Beine. Inzwischen konnte er die Umrisse der Weinfässer erkennen. Sie stolperten zwischen ihnen hindurch zum Ausgang des Kellers. Draußen herrschte tiefste Nacht. Es war, als sei der Himmel verschwunden. Das Nichts über der Stadt atmete. Federlin stand in dem verlassenen Innenhof und drehte sich nach allen Seiten. Martin konnte bloß die Umrisse des Gauklers sehen. Irgendwie schien er verändert, aber der junge Mönch konnte diese Veränderung nicht benennen. War Federlin größer geworden? Schlanker? Biegsamer? Er drehte sich wie ein Wurm, wie eine Schlange. Entsetzliche Furcht packte Martin. Er war mit diesem Geschöpf allein; niemand konnte ihm helfen. Nun war es, als winde sich der Gaukler wie eine Rauchfahne dem Nichts des Himmels zu. Dann schien er wieder zu schrumpfen, kam auf Martin zu und sagte: »Fürchte dich nicht. Ich weiß, wo sie sind.«
     
    »Woher?«
     
    Federlin lächelte ihn an, dann rannte er aus dem Hof.
     
        
     

36. Kapitel
     
    Schlaf … Zauberischer Schlaf? Maria versuchte nachzudenken. Natürlicher Schlaf? Gab es da überhaupt einen Unterschied? War alles Natürliche nicht Zauberei und jede Zauberei nicht letztlich natürlich? Sie träumte, dass sie mit schnellen Schritten neben den Grafen herging. Und neben der Dämonin. Und neben Hilarius. Und doch ging sie nicht. Sie schwebte. Sie flog, wie damals zum Hexensabbat. Sie berührte den Boden nicht und spürte doch jeden Kopfstein unter den Füßen. Oben ist unten. Sie lief durch die Schwärze des unnatürlich glatten Himmels.
     
    Noch immer trieben sich die Mörderbanden durch die Gassen des Ghettos. Noch immer zogen sie ihren Opfern die Haut ab, bohrten Löcher in ihre Schädel, vergewaltigten die Frauen und schnitten ihnen danach die Brüste ab, die sie wie Trophäen an ihrer blutigen Kleidung befestigten.
     
    Aber niemand sah die Vorbeieilenden. Unter welchem Schutz standen sie? Oder waren sie nur einfach ungeheuer vorsichtig?
     
    Maria hörte, wie der Graf zu Hilarius sagte, man könne Federlin nicht trauen, denn Federlin sei ein Abgesandter der Hölle. Das bist du doch auch , dachte Maria in ihrer Traumlogik. Also müsstet ihr Freunde sein. Du bist der Herr der Hexen, ich habe dich gesehen. Hilarius jammerte und sagte undeutlich etwas von den Heerscharen der Hölle und dem Reich des Antichrist, doch Graf Albert erwiderte darauf formelhaft, dass sie nun unterwegs wären, um die Macht des Bösen zu brechen und die Ankunft des Messias vorzubereiten. Der Pater schien ihm nicht zuzuhören.
     
    Maria fragte sich, warum sie dabei sein sollte. Graf Albert hatte sie aus ihrem seltsam tiefen Schlaf gerissen und gezwungen, mitzukommen.
     
    Aus einigen Häusern leckten Flammenzungen. Das Knistern und Knacken und Knallen schrecklicher Brände übertönte inzwischen beinahe die Todesschreie. Und doch konnte Maria genau verstehen, was Hilarius nun sagte: »Und ich sah einen Engel herniedersteigen aus dem Himmel … Er ergriff den Drachen, die alte Schlange, das ist der Teufel und der Satan, und fesselte ihn auf tausend Jahre!«
     
    »So wird es sein«, pflichtete ihm der Graf bei, ohne seinen Schritt zu verlangsamen oder den keuchenden Pater anzusehen, in dessen Wahnaugen die Feuer der Nacht irrlichterten.
     
    Trappeln von Pferdehufen, Klirren von Klingen, Knistern der Feuer, gurgelnde Schreie, Triumphschreie, Zerschmettern von Möbeln und Türen und Zerspringen von Glas. Maria hielt sich die Ohren zu, während sie den beiden

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