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Der schwarze Atem Gottes

Der schwarze Atem Gottes

Titel: Der schwarze Atem Gottes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Siefener
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Menge ihn mit Haut und Haar verschlungen. Und was würden sie mit Martin machen? Er stand ein wenig abseits der plündernden und mordenden Massen, doch niemand beachtete ihn. Da wurde er etwas mutiger. Sein Ziel, das Haus zum Löwen, lag schräg gegenüber. Er hastete an den rasenden, geifernden Menschen vorbei und erreichte unbemerkt die Tür. Er rüttelte daran, aber sie war verschlossen. Er klopfte heftig. Da hörte er aus dem Inneren des Hauses einen Schrei. Den Schrei einer Frau. Einen Todesschrei. Kurz darauf wurde die Tür von innen aufgerissen, und der Graf stürmte auf die Gasse hinaus. Er ließ die Tür hinter sich offen und zerrte Martin fort. »Es war schon jemand in ihr Haus eingedrungen«, keuchte er. »Ich bin zu spät gekommen.«
     
    Martin glaubte ihm kein Wort.
     
    Der Graf erzählte dasselbe auch Federlin und Hilarius. Darauf begann der Mönch zu lallen und unverständliche Laute auszustoßen. Er wurde immer lauter. Maria hielt sich die Ohren zu und sah Martin entsetzt an. Es war, als würde ein Dämon seine Wut und seine Qualen herausbrüllen. Die Laute hallten von den Wänden der engen Gasse wider und vereinigten sich mit dem Geschrei der Mörder und Opfer.
     
    Das schwarze Tuch des Himmels senkte sich noch tiefer und drückender auf die Stadt. Die wahre Nacht kam heran.
     
    »Wir können ihnen nicht andauernd ausweichen«, sagte der Graf. »Wir müssen uns ein Versteck für die Nacht suchen!« Sie waren durch ein Tor in einen Hinterhof geschlüpft, der vollkommen verlassen dalag. In der dichter werdenden Dunkelheit waren nur Schemen zu erkennen: ein Laubengang, ein Treppenturm, eingeschlagene Fenster, Rundportale, die zu Lagerräumen führten. Niemand war zu sehen oder zu hören. Der Höllenlärm des Pogroms drang kaum bis hierher in diesen zeitverlorenen Hof.
     
    »Ob wir hier sicher sind?«, fragte Maria.
     
    »Wir sollten es darauf ankommen lassen«, meinte der Graf. »Ich für meinen Teil bin so müde, dass ich einfach nicht mehr weiterziehen kann. Und du, mein Schatz?« Er lächelte seine Begleiterin erschöpft an. Sie erwiderte sein Lächeln und nickte.
     
    Hilarius hatte sich willenlos bis hierher führen lassen und schien sogar einen Teil seiner körperlichen Kräfte wiedererlangt zu haben. Doch nun setzte sein Gemurmel wieder ein, das in diesem stillen Hof abscheulich heiser und krächzend und hohl klang. Nach einigen schaurigen, unverständlichen Silben hörte Martin ganz deutlich: »Sie ruhen nicht, eh’ Böses sie vollbracht; sie finden keinen Schlaf, bevor sie andere gestürzt … So lasst uns denn nicht schlafen wie die übrigen, sondern wachsam sein … Meinen Augen will ich keinen Schlaf, meinen Wimpern keinen Schlummer gönnen, bis ich eine Stätte finde für den Herrn …« Martin erkannte, dass es Bibelzitate waren, aber er wusste nicht, aus welchen Büchern sie stammten. Sie bewiesen jedoch, dass Pater Hilarius bei klarem Verstand war. Martin blickte ihn an. Er sah in die verzerrte, sabbernde Fratze eines Idioten.
     
    Inzwischen hatte der Graf begonnen, den Hof zu durchsuchen. Er fand eine offen stehende Tür und winkte die anderen heran. Hinter der Tür lagerte Schwärze. Kühle Luft wehte sie aus dieser Schwärze an. Und es roch nach Wein. »Hier ist es so gut wie überall«, sagte der Graf. »Hier sollten wir die Nacht verbringen.«
     
    Schließlich stimmte Federlin zu, und auch Martin war dankbar für eine Ruhepause. Er nahm Maria in den Arm und küsste sie zart auf den Nacken. Dann betraten sie die Schwärze.
     
    Sie mussten sich ihren Weg ertasten, und tatsächlich stießen sie rasch auf gewaltige Weinfässer, die einen betäubenden Duft ausströmten. Sie legten sich hin, und bald schienen der Graf und seine Begleiterin eingeschlafen zu sein; zumindest hörte Martin nichts mehr von ihnen. Schließlich stieß auch Federlin schnarchend die Luft aus, und Maria, die sich an Martins Brust gekuschelt hatte, atmete tief und schwer. Nur Hilarius murmelte leise weiter; Martin konnte ihn nicht verstehen. Er selbst lag ebenfalls einige Zeit lang wach. Manchmal seufzte Hilarius gequält auf.
     
    Er befindet sich schon dort, wo wir noch hinkommen werden,
dachte Martin.
In der Hölle.
     

     
    Etwas rüttelte an ihm.
     
    Es war der Teufel.
     
    Martin sah deutlich seine längsgeschlitzten, verschiedenfarbigen Augen, seine Hörner, seinen Ziegenbart und seine Klauen. »Wach auf!«
     
    Ich bin doch wach,
wollte Martin sagen.
Zum ersten Mal in meinem Leben, denn zum

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