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Der schwarze Atem Gottes

Der schwarze Atem Gottes

Titel: Der schwarze Atem Gottes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Siefener
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Männern und der stumm gewordenen Frau hinterherhastete.
     
    Was hatte sie hier zu suchen? Warum war sie nicht an der Seite ihres Geliebten? Warum war Martin nicht bei ihr? Was ging sie das alles an? Sie war keine Jüdin, sie glaubte nicht an die Ankunft des Messias, denn wenn Jesus Christus nicht der Messias war, dann konnte es niemand sein, und sie glaubte auch nicht an die Ankunft des Antichristen.
     
    Nein?
     
    Sieh dich doch um! Sieh doch, was mit der Welt geschieht. Sieh doch, welche Vorboten sich in ihr tummeln.
     
    Was ging sie das an? Sie war eine Gefangene. Eine Gefangene ihres Traumes. Ihres Körpers. Sie versuchte stehen zu bleiben. Ihr Geist blieb stehen, aber ihr Körper gehorchte ihr nicht und lief weiter. Sie schrie und tobte – aber kein Laut drang über ihre Lippen. Es war wie in dem Hexenverlies. Sie konnte schreien und toben, so viel sie wollte: Es würde sie nicht in die Freiheit versetzen. Sie war gefangen im Kerker ihres Körpers.
     
    »Rabbinergasse«, hörte sie den Grafen sagen. »Altneuschul.«
     
    Worte ohne Bedeutung. Hülsen. Was würde sie füllen? Hilarius keuchte noch lauter. Dann brach er zusammen.
     
    Der Graf warf sich über den Pater, der Schleim ausspuckte und den Bart und das Wams des Grafen traf. Der Schleim glitzerte im Schein der Brände. »Nein!«, rief der Graf! »Du darfst jetzt nicht sterben! Noch nicht! Wir sind so nahe vor dem Ziel!«
     
    Seine Begleiterin bückte sich und strich dem Pater zärtlich über die schweißtriefende Stirn. Die Schreie des Mönchs waren schrecklicher als die Schreie der Sterbenden. Die Schreie der Sterbenden … Sie waren verhallt. Verwirrt schaute sich Maria um. Die Gasse lag verlassen da; nur die Brände lebten noch und warfen ihr geisterhaftes, rotes Licht in die allzu schwarze Nacht. Doch durch das Zischen und Knistern der Brände hörte sie nun ein anderes, schnell näher kommendes Geräusch.
     
    Hufgetrappel. Reiter. Und da bogen sie auch bereits in die Gasse ein, in der sich die vier befanden. Es waren ebenfalls vier. Und sie hielten auf die Gruppe zu. Der Graf sprang auf, ließ Hilarius am Boden liegen und schaute atemlos die vier Reiter an.
     
    Kurz vor der Gruppe hielten sie an. Ihre Pferde waren schweißbedeckt und zitterten und schnaubten wie Höllenrosse. Einer der Reiter war etwas weiter vorgekommen als die anderen. »So sehen wir uns wieder, Maria«, sagte er mit einer Stimme, die wie das Auseinanderbrechen der Erde klang. Erst jetzt erkannte sie ihn.
     
    Es war Josef, der Anführer der Bande, die Hilarius entführt hatte.
     
    Und gleichzeitig war er es nicht. Sein Gesicht war wie eine schlecht sitzende Maske, unter der etwas völlig anderes, Nichtmenschliches verborgen lag. Er schwang sich von seinem fahlen, tänzelnden Pferd, und die anderen folgten seinem Beispiel. Aus der Ferne sahen sie so aus wie Christoffel, Hütlein und Pfäfflein. Als sie näher kamen, fragte sich Maria, wie sie diese Geschöpfe je als Menschen hatte ansehen können … Oder war es der Traum, in dem sie gerade steckte, der ihr diese dämonischen, skeletthaften Fratzen vorgaukelte?
     
    »Was wollt ihr?«, fragte der Graf herrisch.
     
    »Oh, wir haben uns ein wenig Spaß verschafft. Wir haben Freiwild gejagt und reiche Beute gemacht. Der Rest von uns vergnügt sich noch«, antwortete Josef leichthin. Die anderen kicherten. Er betastete das Schwert an seiner Seite, das eher wie eine Sense aussah. »Und da wir hörten, dass Ihr in der Stadt seid, hochwürdiger Graf von Heilingen, dachten wir, dass es an der Zeit ist, unsere noch ausstehende Belohnung von Euch einzufordern.«
     
    »Gar nichts werdet ihr einfordern. Ihr habt bekommen, was abgemacht war«, keifte der Graf.
     
    »Wir sind zu dem Schluss gekommen, dass das für unsere hervorragende Arbeit nicht genug war«, meinte Josef und zog die Lippen zu einem Grinsen auseinander, das braune, spitze Zähne enthüllte.
     
    »Was wollt ihr?«, fragte Graf Albert noch einmal.
     
    »Für den Anfang diesen kleinen Wildfang da, der uns so ungetreulich entwischt ist«, sagte Josef und deutete mit einem entsetzlich langen und spitzen Finger auf Maria. Ihr war, als würde diese Geste die Brände in den Häusern um sie herum noch weiter anfachen.
     
    »Ihr könnt sie nicht haben. Sie gehört mir«, sagte der Graf kalt.
     
    »Was willst du denn schon mit ihr anfangen?«, lachte Josef. »Aber nun haben wir genug geredet. Kommt, Männer.« Sie gingen auf Maria zu, die sich nicht rühren konnte und

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