Der schwarze Magier
dem Jungen werden?«, seufzte der Ältere.
»Wie war ich, Vater?«, fragte John und blickte mit strahlenden Augen auf.
»Ganz passabel. Deine Angriffe kommen noch zu zögerlich. Wenn du jemanden töten musst, dann schlage mit dem Schwert zu, ohne nachzudenken.«
»Ich denke nie nach, Vater«, erwiderte John.
Guy de Cazeville kratzte sich nachdenklich seinen struppigen Bart. »Ich werde in der kommenden Woche mit Lord Heathcliff reden, ob er dich als Knappen nimmt.«
»Oh, das wäre eine Auszeichnung, Vater!« Johns Augen glänzten noch um eine Spur heller.
»Verzeihung, Mylord, aber ich finde es zu zeitig. Wir sollten erst noch seine Technik etwas verbessern…«
Guy de Cazeville legte Cedric seine Hand auf die Schulter. »Lasst es gut sein, Sir Cedric. Ich weiß selbst, dass er noch längst nicht perfekt ist. Aber er hat hier keinen ebenbürtigen Gegner… außer Euch natürlich. Was er noch lernen muss, lernt er bei Lord Heathcliff. Deshalb halte ich die Zeit für gekommen, dass er als Knappe in seine Dienste tritt. Auf Heathcliff kann ich mich verlassen.«
»Ja, Mylord«, erwiderte der Ritter. Er schlenderte neben seinem Herrn her. Um Rupert kümmerte sich niemand.
Aufatmend schlüpfte der Junge in den Pferdestall und verkroch sich hinter einem Berg Heu. Wie er die Waffengänge hasste! Natürlich wusste er, dass es seine Pflicht war, und irgendwann würde sein Vater ihn auch als Knappen in den Dienst eines befreundeten Ritters stellen, aber er tat das alles ohne Lust und innere Bereitschaft.
Verlegen tupfte er das Blut aus seinem Gesicht und kramte unter dem Heu ein dickes, in dunkles Leder gebundenes Buch hervor. Behutsam öffnete er das vergilbte Pergament und versenkte sich in die Zeichen und Bilder. Es war ein Buch über die Natur, über Pflanzen und Tiere, über den Kreislauf der Jahreszeiten und das Werden und Vergehen des Lebens. Es war in Latein abgefasst und er wünschte sich, diese Sprache besser zu beherrschen, um den Inhalt der Schrift zu verstehen.
Guy de Cazeville hielt es für verschwendete Zeit, wenn seine drei Söhne über Büchern brüteten. Er wollte sie zu ordentlichen Rittern erziehen, die mit dem Schwert umzugehen wussten und sich ihren Platz bei Hofe durch Mut und Tapferkeit errangen. Erst die Normannen, so meinte Lord Guy, hatten den bäuerlichen Angelsachsen die hohe Kriegskunst gebracht und schon allein deshalb war er stolz auf seine eroberungsfreudigen Vorfahren.
John und Roger kamen in diesem Sinn auch ganz nach ihrem Vater, übten sich schon beizeiten an den Waffen und waren bald berüchtigte Raufbolde in der Umgebung der Burg. Ab und zu musste der Vater sie zügeln, damit sie nicht mit ihrem Temperament übers Ziel hinausschossen, denn schließlich stand ihnen noch eine ruhmreiche Karriere bevor. Ein Makel auf der Rüstung eines de Cazeville konnte bei Hofe ein ernsthaftes Hindernis werden.
Nur Rupert schlug aus der Art und Lord Guy hasste seinen Sohn deshalb. Der Junge verkroch sich schon als kleines Kind lieber in der Bibliothek, ließ sich von seiner Mutter Geschichten erzählen und stellte unzählige Fragen, die weder der Magister noch der Kaplan noch Lady Marjorie beantworten konnten.
Lady Marjorie war eine feinsinnige, gebildete Frau, die viel Wert auf die Kunst des Schreibens und Lesens legte. Sie hatte es gegen den Willen ihres Gatten durchgesetzt, dass ein Magister auf die Burg gerufen wurde, um sich der Bildung der Kinder anzunehmen. Mit John und Roger hatte er gewaltige Probleme, denn sie schwänzten konsequent den Unterricht. Und blieben sie tatsächlich einmal einige Stunden auf den harten Stühlen der Bibliothek sitzen, verärgerten sie den Magister mit allerlei Dummheiten und garstigen Streichen, sodass er gar nicht so unglücklich darüber war, wenn sie dem Unterricht fernblieben.
Mit gestelzten Schritten umrundete Roger das junge Mädchen, das sich bemühte, ihr Kichern zu unterdrücken. Der Musikant begleitete die ungelenken Tanzversuche auf einer Fiedel. Lady Marjorie klatschte im Takt dazu, schüttelte aber immer wieder missbilligend den Kopf.
»Warum soll ein junger Mann denn so etwas lernen?«, knurrte Guy de Cazeville. »Wichtiger ist doch, dass er mutig und gewandt ist und mit den Waffen umgehen kann.«
Seine Gattin blinzelte ihm lächelnd zu. »Wenn er bei Hofe etwas werden will, dann muss er die Kunst des Tanzes und der Minne beherrschen. Die neue Königin gilt als sehr Kunst liebend. Sie soll in ihrer Heimat in Aquitanien einen glänzenden
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