Der schwarze Magier
Vorwort
Im Jahr 1157 wird auf einer alten Burg im Südwesten Englands ein Knabe geboren. Es ist der dritte Sohn des normannischen Ritters Guy de Cazeville und seiner Gemahlin Marjorie. Der Ritter leert mit seinen Knappen und Gefolgsleuten einen Krug Sauerbier zu Ehren seines Sohnes, ansonsten wartet er die Zeit ab, bis dieser Junge, den sie Rupert nennen, herangewachsen und so weit zu Kräften gekommen ist, dass er selbst als Ritter für König und Reich kämpfen kann. Und natürlich soll er dem Namen der Familie de Cazeville zu Ehren verhelfen. Auf ein Erbe der väterlichen Burg kann Rupert nicht hoffen, stehen doch seine beiden älteren Brüder in der Erbfolge vor ihm. Aber immerhin ist Rupert ein männlicher Nachkomme und dieser Umstand allein genügt Ritter Guy de Cazeville für ein gewisses Maß an Stolz und Freude. Der Junge bleibt bis zu seinem zehnten Lebensjahr mehr oder weniger sich selbst überlassen und lernt, sich gegen ältere Brüder, feindliche Nachbarn und den Rest der Welt zu wehren. Während dieser Zeit entdeckt er, dass ihm eine seltsame Gabe in die Wiege gelegt wurde, eine Gabe, die sein späteres Schicksal entscheidend bestimmen wird.
Im gleichen Jahr wird unweit der normannischen Burg, in Oxford, ebenfalls ein Knabe geboren. Es ist der dritte Sohn des englischen Königs Heinrich II. und seiner Gemahlin Eleonore von Aquitanien. Der König feiert ein jubelndes Fest zu Ehren seines Sohnes, den sie Richard nennen. Auf ein Erbe des englischen Thrones kann Richard nicht hoffen, stehen doch seine beiden älteren Brüder in der Erbfolge vor ihm. Doch ist Richard ein männlicher Nachkomme, der einmal den Namen der Plantagenets in der Welt des Hochadels weiterführen soll. Vor allem seine Mutter Eleonore liebt ihren Sohn Richard über alles und bringt den Jungen schon bald aus dem nasskalten England fort an ihren glanzvollen Hof im französischen Poitiers, wo er behütet und geliebt aufwächst. Dichter, Troubadoure, Musikanten, edle Ritter und schöne Damen gehören zu seinem Umfeld, er lernt das Reiten, den Umgang mit dem Schwert und die hohe Schule der Minne. Und er spürt, dass in seinem gesunden, sportlichen Körper ein überaus kluger und wendiger Geist wohnt, der ihn zu viel mehr befähigt, als er in seiner zarten Jugend je ahnt.
Jahre später kreuzen sich auf schicksalhafte Weise die Wege dieser beiden so unterschiedlichen Menschen, des Arztes und Magiers Rupert de Cazeville und des englischen Königs Richard Löwenherz.
Die normannische Burg
»Wehr dich, du Feigling!« John keuchte und setzte einen Ausfallschritt nach vorn. Sein stumpfes Schwert krachte klirrend gegen das Schwert seines Bruders Rupert. Verbissen parierte der Jüngere Johns Angriffe. Er handhabte das Schwert geschickt, doch seinem Gesicht war anzusehen, dass er zu diesem Kampf keine Lust hatte. Seine schwarzen Augen fixierten hasserfüllt seinen Bruder. Er verwünschte ihn in den hintersten Winkel der großen väterlichen Burg. Doch im Augenblick musste er sich gegen Johns Attacken wehren. Sie versetzten ihn in Wut. Diese Wut brodelte unter seiner Haut, in seinen Adern.
»Na, was ist?« John hielt sein Schwert mit beiden Händen erhoben und provozierte Rupert zum Angriff. Der schlanke, schwarzhaarige Junge setzte seinerseits einen Ausfallschritt nach vorn und hieb sein Schwert gegen seinen Bruder. John parierte den Hieb mit einer Hand, während seine Linke zielsicher an Ruperts Kinn flog. Mit einem dumpfen Laut schlug Rupert rücklings in den Sand.
Rupert fühlte sein Gesicht wie hinter einer tauben Maske, während in seinen Ohren überlaut Johns hämisches Lachen dröhnte.
»Du darfst deine Deckung nicht vernachlässigen«, höhnte John. »Und du musst immer damit rechnen, dass dein Gegner noch gemeiner denkt als du.«
Er wandte sich ab und Cedric, der Waffenmeister, nickte ihm anerkennend zu. »Das war eine wirkungsvolle Finte. Aber du hättest nicht so hart zuzuschlagen brauchen.«
Cedric reichte Rupert die Hand, doch der Junge schlug sie verärgert aus. Er rappelte sich hoch und wischte mit dem Handrücken den dünnen Blutfaden weg, der aus seinem Mundwinkel sickerte. Er warf einen grimmigen Blick auf seinen immer noch grinsenden Bruder und schleuderte mit einer wütenden Bewegung das Schwert vor Cedrics Füße.
Der große, muskulöse Mann, der am Rande des Platzes die Szene beobachtete, schüttelte missbilligend den Kopf. Langsam schlenderten John und Cedric zu ihm hin.
»Was soll bloß aus
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