Der schwarze Magier
Lunge mühsam nach Atem rang. Das ist unmöglich!, schrien ihre Gedanken. Doch sie war nicht in der Lage, daraus Worte zu formen. Sie tastete nach dem Stuhl hinter sich und ließ sich mit schlotternden Knien nieder.
Die beiden Männer sahen sich lange an. Ruperts Herz schlug heftig und seine Gefühle gerieten in Aufruhr. Das war er also, Riganas Sohn. Sein Sohn!
»Ich wusste, dass du kommst«, sagte Rupert. Der fremde junge Mann nickte, als wenn er es erwartet hätte. »Wie geht es deiner Mutter?«
»Sie hat dich nie vergessen«, antwortete er. »Sie hat mir alles gegeben, wozu sie in der Lage war. Aber jetzt bist du wieder da. Deshalb sollst du mich lehren.«
Rupert senkte den Blick und schüttelte leicht den Kopf. »Wozu?«, fragte er matt. »Es wird dein Verderben sein.«
»War es deines?«, fragte der Besucher zurück.
Rupert hob die Schultern. »Vielleicht. Ich konnte mich nicht von der Welt zurückziehen. Sie haben meine Gabe benutzt, missbraucht.«
»Ja«, sagte sein Sohn. »So sind sie. Menschen sind nicht vollkommen. Manchmal siegt das Gefühl über den Verstand.« Er schwieg einen Moment, dann hob er den Blick und schaute seinem Vater fest in die Augen. »Sie hat all die Jahre auf dich gewartet.«
Rupert erwiderte den Blick. »Welchen Namen hat sie dir gegeben?«
»Llewelyn.«
Er nickte sacht. Dann wandte er sich zu Gwendolyn um. Ihre Augen waren groß und starr und sie erhob sich wieder. Sie verspürte einen seltsamen Kloß in ihrem Hals. Ihr Blick irrte zwischen den beiden Männern hin und her. Vater und Sohn!
Sie senkte den Kopf. Die Schlacht war geschlagen. Die Schlacht war verloren, ohne dass sie gekämpft hatte. Sie ergab sich der Entscheidung.
Gwendolyn unterdrückte das Zittern ihrer Lippen. »Es wäre dumm zu sagen, geh mit Gott. Mein Gott sagt dir nichts. Ich wünsche dir trotzdem… alles Gute.« Mit großer Anstrengung blinzelte sie die Tränen weg. Krieger weinen nicht! Ihr Rücken war gerade, ihr Schritt fest, als sie den Raum verließ.
Rupert schaute ihr lange nach, als müsse er sich ihr Bild einprägen, um es nicht zu vergessen. Dann wandte er sich um. »Gehen wir, mein Sohn!«
Nachwort
Er steht vor mir und sein Blick hält mich fest. An seinen zusammengepressten Lippen sehe ich, dass er fest entschlossen ist. Es gibt mir einen leichten Stich in den Magen. »Ich habe dich erfunden«, sage ich leise. »Du bist meine Schöpfung.« Es klingt wie eine Rechtfertigung. Seine Mundwinkel zucken spöttisch und ich wende den Blick ab. »Ich hätte dich auch sterben lassen können«, sage ich trotzig.
»Du weißt, dass mich der Tod nicht schreckt. Aber du hast mich nicht sterben lassen. Es ist deine Schwäche, deine Schwäche für mich.« Sein Spott verletzt mich ein wenig.
Jetzt lächelt er und ich gerate in Aufruhr. Alles an ihm ist mir so vertraut, seine schlanke, hohe Gestalt, seine kohlschwarzen Augen, die scharf gebogene Nase, seine wunderschönen schmalen Hände. Schließlich habe ich ihn erfunden, diesen Rupert de Cazeville, diesen zwiespältigen, eigenwilligen und faszinierenden Mann. Und ich habe ihn durch die Zeit zurückgeschickt in das 12. Jahrhundert zu den Helden der Geschichte, die wirklich gelebt haben: Richard Löwenherz und Philipp August, Eleonore von Aquitanien und Berengaria von Navarra, Isaak Komnenos und Tankred de Lecce, Konrad von Montferrat und Guy de Lusignan, Roger von Salerno und Petrus Lombardus, Sultan Saladin und Moses Maimonides…
Jetzt hat er seine Schuldigkeit getan. Doch der Abschied von ihm fällt mir schwer. Schließlich ist er mein Geschöpf, das Kind meiner Phantasie.
Er beugt sich etwas zu mir herab und wieder fühle ich seine überwältigende Ausstrahlung. »Ich habe mich keinem König, keinem Sultan, keinem Bischof und keinem Gott gebeugt.« Er lächelt verschmitzt. »Und auch keiner Frau.«
Ich schlucke schwer und nicke. »Und deshalb wirst du mich jetzt verlassen«, bringe ich gepresst hervor.
»Ganz recht. Du bist nur eine Schriftstellerin und eine Frau dazu. Du hast mich erfunden und ich habe getan, was du von mir verlangt hast. Nun ist meine Pflicht getan und ich werde meiner Wege gehen.« Er berührt sanft mit den Lippen meine Wange. Ich schließe die Augen und versuche, den Augenblick festzuhalten. »Leb wohl«, höre ich ihn sagen, dann geht er mit festen Schritten davon.
Ich schaue ihm nach, mit Verständnis im Kopf und Wehmut im Herzen. Noch einmal dreht er sich um und er lächelt. »Du kannst mich ja rufen, wenn
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