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Der schwarze Mustang. Erzählungen, Aufsätze und offene Briefe

Der schwarze Mustang. Erzählungen, Aufsätze und offene Briefe

Titel: Der schwarze Mustang. Erzählungen, Aufsätze und offene Briefe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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sondern wir waren, grad so wie Ihr, entschlossen, nach Osten auszubiegen. Ihr seid also einverstanden, daß wir zusammen reiten?«
    »Ja, natürlich ja! Es kann uns ja gar nichts Besseres und Vorteilhafteres angeboten werden, als bei Euch sein zu dürfen. Wann meint Ihr, daß wir von hier aufbrechen, Sir?«
    »Morgen, sobald wir ausgeschlafen haben. Da erreichen wir am Abend den Alder-Spring 9 , an dem wir bis früh lagern werden.«
    Er legte auf diesen Namen einen besonderen Ton, denn er beobachtete während dieses Gespräches den halbblütigen Scout heimlich und sah gar wohl, mit welcher Aufmerksamkeit dieser herüberhorchte, obwohl er sich den Anschein zu geben suchte, als ob er nicht den geringsten Anteil nehme. Er war nicht der einzige, welcher ein so großes und heimliches Interesse für die beiden berühmten Freunde hegte.
    Nämlich ganz nahe an der Bretterwand, welche den großen, nur von Chinesen besetzten Raum von dem kleinen trennte, saßen schon vor Eintritt der beiden Timpe zwei »Söhne des Himmels« 10 bei einander, welche nichts zu thun zu haben schienen als zu rauchen und zu trinken. Sie mochten eine Art von Vorarbeiter vorstellen, oder im Besitz einer sonstigen kleinen Würde sein, weil keiner ihrer Landsleute sich zu ihnen setzte. Sie konnten alles, was nebenan gesprochen wurde, hören, und verstanden es auch, denn sie befanden sich schon seit mehreren Jahren in den Vereinigten Staaten und waren in San Francisco mit der englischen Sprache vertraut geworden.
    Auf die Ankunft von Has und Kas hatten sie nicht mehr geachtet als alle andern auch; als aber drin im kleinen Raum von den Gewehren Old Shatterhands und Winnetous gesprochen wurde und welchen geradezu untaxierbaren Wert dieselben besäßen, da horchten sie schärfer hin. Dann kamen so ganz unerwartet diese beiden Männer, und die Chinesen blickten erst mit Neugierde und dann mit Verlangen durch die Bretterlücken nach ihnen, und es schien, als ob sie ihre Augen gar nicht von den kostbaren Gewehren wenden könnten. Als später der Engineer mit seinen Gästen von dem gemachten Gange zurückkehrte und die letzteren ihre Gewehre nicht mehr bei sich hatten, schien es mit der bisherigen Ruhe der Chinesen aus zu sein. Ihre dünnen Augenbrauen gingen auf und nieder; ihre Lippen zuckten, ihre Finger bewegten sich krampfhaft, sie rutschten auf ihren Sitzen hin und her; sie hatten beide das gleiche Gefühl und den gleichen Gedanken, doch wollte keiner zuerst sprechen. Endlich konnte es der eine nicht länger aushalten; er fragte leise:
    »Hast du alles gehört?«
    »Ja,« antwortete der andre.
    »Und gesehen?«
    »Und gesehen!«
    »Auch die Gewehre?«
    »Auch!«
    »Wie kostbar sie sind!«
    »Viele, viele tausend Dollars!«
    »Wenn wir sie hätten! Wie müssen wir arbeiten; wie müssen wir uns plagen und uns schinden, damit unsre Gebeine in der Heimat bei den Ahnen begraben werden können!«
    Es trat eine Pause ein; sie überlegten. Nach einer Weile that der eine einen langen Zug aus seiner Pfeife und fragte, indem er listig mit den schiefen Augen blinzelte:
    »Ahnst du, wo die Gewehre liegen?«
    »Ich weiß es,« lautete die Antwort.
    »Nun wo?«
    »Im Hause des Engineers. Wenn wir sie hätten, könnten wir sie vergraben, und niemand wüßte, wer sie geholt hat.«
    »Und später könnten wir sie in Frisco 11 verkaufen. Wir bekämen viel, ungeheuer viel Geld dafür, dann wären wir reiche, sehr reiche Herren und könnten nach dem Reiche der Mitte zurückkehren und alle Tage Schwalbennester essen.«
    »Ja, das könnten wir; wir könnten es wirklich, wenn wir nur wollten!«
    Nach einer abermaligen Pause, während welcher sie in den gegenseitigen Mienen und Blicken zu lesen suchten, wurde das Gespräch fortgesetzt:
    »Das Haus des Engineers ist steinern, und niemand kann durch die Fenster!«
    »Und die Thür ist stark und hat ein sehr festes, eisernes Schloß!«
    »Aber das Dach! Weißt du nicht, daß es aus Shingles 12 gemacht ist?«
    »Ich weiß es. Wenn man eine Leiter hat, kann man eine Oeffnung machen und einsteigen.«
    »Leitern gibt es genug!«
    »Ja; aber wo würde man die Gewehre vergraben? In der Erde? Da verderben sie.«
    »Man müßte sie gut einwickeln. Im Lagerschuppen liegen Bastmatten mehr als genug umher.«
    Sie hatten bisher im Flüsterton miteinander gesprochen; jetzt rückten sie noch näher zusammen, und die Art und Weise, in welcher sie weitersprachen, konnte nur noch als ein fast unhörbares Zuraunen bezeichnet werden. Darauf verließen

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