Der schwarze Mustang. Erzählungen, Aufsätze und offene Briefe
gelangen.
Der Indsman war ein kräftig gebauter, in den mittleren Jahren stehender Mann. Bald zeigte es sich, daß er auch in Beziehung auf seine Intelligenz kein Schwächling war. Dies hatte Old Shatterhand freilich vorausgesehen, denn so heimliche und vielleicht auch gefährliche Aufträge pflegt nur ein kluger Krieger zu bekommen.
»Mein roter Bruder hat sich fern von uns gesetzt. Will er nichts essen oder trinken?« so lautete die erste Frage Old Shatterhands.
Der Rote antwortete nur mit einem Kopfschütteln.
»Warum nicht? Hast du weder Durst noch Hunger?«
»Juwaruwa hat Hunger und auch Durst, aber er hat kein Geld,« ließ sich jetzt der Rote hören.
»Juwaruwa, so ist dein Name?«
»So werde ich genannt.«
»Das heißt Elk in der Sprache der Upsarokas 13 . Gehörst du zu diesem Stamme?«
»Ich bin ein Krieger desselben.«
»Wo weidet er jetzt seine Pferde?«
»In Wyoming.«
»Und wie heißt der Kriegshäuptling desselben?«
»Er wird ›starker Büffel‹ genannt.«
Old Shatterhand war zufälligerweise vor kurzer Zeit bei den Krähenindianern, die zum Volke der Dakotas gehören, gewesen; er kannte die Verhältnisse derselben und war also im stande, zu beurteilen, ob der Indianer ihn belog. Die Antworten enthielten die Wahrheit.
»Wenn mein Bruder nicht bezahlen kann, so mag er sich zu uns hinsetzen und auch mit uns essen,« fuhr er fort.
Der Indianer warf einen forschenden Blick auf ihn und erklärte:
»Juwaruwa ist ein tapferer Krieger; er ißt nur mit Männern, die er kennt und die ebenso tapfer sind. Hast du einen Namen, und wie lautet er?«
»Man nennt mich Old Shatterhand.«
»Old – – – Shatt – – –!«
Der Name blieb ihm im Munde stecken. Er hatte nur für einen Augenblick seine Ruhe und Selbstbeherrschung verloren, aber doch dadurch verraten, daß er erschrocken war. Er nahm sich schnell wieder zusammen und fuhr in scheinbarer Unbefangenheit fort:
»Old Shatterhand? Uff! So bist du ein sehr berühmtes Bleichgesicht.«
»Mit dem du also essen kannst. Komm her zu uns, und iß und trink!«
Anstatt dieser Aufforderung Folge zu leisten, ließ der Indsman seinen Blick umhergehen und fragte:
»Ich sehe den roten Mann nicht, der an deiner Seite saß. Wo ist er hin?«
»Er wird draußen in dem andern Raum sein.«
»Ich gewahrte nicht, daß er hinausging. Wenn du Old Shatterhand bist, so ist er wohl Winnetou, der Häuptling der Apatschen?«
»Er ist es. Wo hast du dein Pferd?«
»Ich reite nicht.«
»Wie? Ein Upsaroka, der sich so viele Tagesreisen südwärts von seinem Stamme befindet, hat kein Pferd? Hast du es unterwegs verloren?«
»Nein. Ich habe keins mitgenommen.«
»Auch keine Waffen als nur das Messer?«
»Keine.«
»Das muß ja sehr wichtige Gründe haben!«
»Ich habe einen Schwur gethan, ohne Pferd und nur mit dem Messer zu gehen.«
»Warum?«
»Weil die Komantschen auch ohne Pferde und andre Waffen waren.«
»Komantschen? Wo waren sie?«
»Oben, nahe bei unsern damaligen Weidegründen in Dakota.«
»Komantschen so weit im Norden? Sonderbar.«
Old Shatterhand glaubte dem Roten schon längst nicht mehr und ließ seinen Zweifel auch im Tone erklingen. Der Rote warf ihm einen fast höhnischen Blick zu und antwortete:
»Weiß Old Shatterhand nicht, daß jeder indianische Krieger einmal nach Dakota muß, um den heiligen Thon zur Friedenspfeife zu holen?«
»Nicht jeder braucht dies zu thun, und nicht jeder hat es gethan.«
»Die Komantschen aber thaten es. Sie begegneten mir und meinem Bruder; ihn erstachen sie, und mir gelang es, zu entkommen. Dann that ich meinen Schwur und bin ohne Pferd und nur mit dem Messer hinter ihnen her; ich werde nicht ruhen, bis ich sie getötet habe!«
»Da du mich an die heiligen Bräuche mahnst, so wirst du wissen, daß kein Indsman auf dem Wege nach diesen Steinbrüchen einen andern töten darf?«
»Die Komantschen begingen dennoch den Mord!«
»Hm! Aber warum diesen Schwur? Ohne Pferd und nur mit dem Messer! Wie willst du jagen? Wovon hast du unterwegs gelebt?«
»Habe ich dir das zu sagen?« fragte der Indianer stolz, denn er glaubte, Old Shatterhand vollständig getäuscht zu haben.
»Nein,« antwortete dieser ruhig. »Ich kann nur nicht begreifen, daß du während so langer Zeit und auf einem so langen Wege auf kein Pferd gekommen bist.«
»Ich that den Schwur und habe ihn gehalten.«
»Nein, sondern du hast ihn übertreten!«
»Beweise es!«
»Du hast heut im Sattel gesessen!«
»Uff, uff!«
»Ja,
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