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Der schwarze Mustang. Erzählungen, Aufsätze und offene Briefe

Der schwarze Mustang. Erzählungen, Aufsätze und offene Briefe

Titel: Der schwarze Mustang. Erzählungen, Aufsätze und offene Briefe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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bestraft wird!«
    »Mit Gefängnis.«
    »Ja, aber nicht hier in dieser Gegend. Wer hier im wilden Westen Waffen oder Pferde stiehlt, der wird entweder erschossen oder aufgehängt. Wißt ihr das?«
    »Wir haben davon gehört; aber es geht uns nichts an, denn wir werden uns nie an einem fremden Gut vergreifen.«
    »Lüge nicht!«
    »Was sprecht Ihr, Sir? Ich habe nicht gelogen! Wir haben vernommen, daß Ihr ein großer und ein berühmter Mann seid; aber auch wir sind keine gewöhnlichen Leute, sondern Firsthands hier, die sich nicht beleidigen lassen!«
    »
Pshaw!
Dein Ton soll bald ein andrer werden, Bursche! Wenn ihr aufrichtig gesteht, werden wir glimpflich mit euch verfahren; leugnet ihr aber, so habt ihr keine Nachsicht zu erwarten. Ihr habt unsre drei Gewehre gestohlen?«
    Der Mann zeigte eine möglichst unbefangene Miene, schüttelte verwundert den Kopf und antwortete:
    »Gewehre gestohlen? Wir? Wie kommt Ihr auf diese Idee, die uns ganz unbegreiflich ist? Sind Euch Eure Gewehre abhanden gekommen?«
    Er sagte das in einem so kindlich aufrichtigen und unschuldigen Tone, daß Old Shatterhand ausholte und ihm eine solche Ohrfeige verabreichte, daß der Getroffene zwischen den Tischen hindurch bis an den fernen Schenktisch flog, wo er Mühe hatte, sich langsam aufzuraffen. Der Jäger würdigte ihn keines weiteren Blickes, sondern wendete sich an den andern:
    »Du hast jetzt gesehen, wie ich die Lüge und die Frechheit beantwortete. Sage also die reine Wahrheit! Ihr habt unsre Gewehre gestohlen!«
    »Nein!« behauptete trotzdem der Gefragte.
    »Ihr seid in das Haus des Engineers eingestiegen?«
    »Nein!«
    »Als ihr dann die Gewehre verstecken wolltet, sind sie euch von Indianern abgenommen worden?«
    »Nein!« behauptete der Chinese zum drittenmal, aber weit weniger zuversichtlich als bisher.
    »Mensch, ich warne dich! Dein Kumpan hat dich zwar aufgefordert zu leugnen, aber es ist weit besser für dich, aufrichtig zu sein.«
    »Wann soll er mich aufgefordert haben, Sir?«
    »Vorhin, als ihr von euren Plätzen aufstandet.«
    »Ich weiß nichts, Sir!«
    »Du weißt es, denn du hast gehört, daß er leise zu dir ›
schuet put tek
‹ sagte!«
    »Ja, das hat er gesagt.«
    »Nun, was bedeuten diese chinesischen Worte?«
    »Sie heißen: ›Komm, wir gehen mit!‹ Er sagte das, weil wir mit Euch gehen sollten.«
    »Höre, du bist ein Pfiffikus; aber mich täuschest du nicht. Kommen heißt ›
lai
‹, und gehen heißt ›
k’iu
‹;
schuet put tek
aber heißt: ›es darf nichts gestanden werden‹. Willst du das etwa auch leugnen?«
    Der noch am Schenktische stehende Chinese hatte sich bis jetzt die schmerzende Wange gehalten; nun aber schlug er erschrocken die Hände zusammen; der andre war zwei, drei Schritte zurückgefahren, starrte den Jäger mit weit geöffneten Augen an und fragte stockend und entsetzt:
    »Wie? Ihr – – Ihr – – könnt – – könnt – – chinesisch sprechen?«
    Old Shatterhand benutzte dieses Entsetzen, den Burschen zu überrumpeln, indem er schnell fragte:
    »Wer war der Indianer, der euch die Gewehre abgezwungen hat?«
    Der Chinese ging gedankenlos in die Falle, denn er antwortete ohne Ueberlegung:
    »Er nannte sich den ›schwarzen Mustang‹, den Häuptling der Komantschen.«
    »
Put yen put jii, put yen put jii!
« schrie der erste Chinese vom Schenktische her.
    Dieser ängstliche Zuruf heißt so viel wie: »Kein Wort reden, kein Wort reden!«
    »
Tien na, agai yn
– mein Himmel, o wehe, wehe!« rief sein Kumpan, der jetzt einsah, was für einen Fehler er begangen hatte.
    »Schweigt!« lachte Old Shatterhand. »Ihr habt ja gehört, daß euer Chinesisch euch nichts nützt! Ihr seid jetzt überführt und werdet unbedingt noch heut abend erschossen oder aufgehängt, wenn ihr noch weiter leugnet. Erzählt ihr uns aber genau, wie es geschehen ist, so werden wir euch das Leben schenken.«
    »Das Leben schenken?« fragte der zweite Chinese, der weniger hartköpfig als der erste war. »Was wird aber dann unsre Strafe sein?«
    »Das richtet sich ganz nach eurer Aufrichtigkeit. Wenn ihr nichts, aber auch gar nichts verschweigt, so kommt ihr jedenfalls besser weg, als ihr es selbst verlangen könnt.«
    »So werde ich es sagen; ja, ich erzähle es!«
    Der Chinese warf einen fragenden Blick zu seinem Mitdiebe hinüber, der ihm bejahend zuwinkte, denn er sah nun auch ein, daß es geraten sei, den in den Schmutz geratenen Karren nicht weiter hineinzuschieben. Er wagte sich, die brennende Wange

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