Der schwarze Mustang. Erzählungen, Aufsätze und offene Briefe
brauchen.«
»Rocky-ground?« fragte Old Shatterhand. »Hieß dieser Ort schon früher so?«
»Nein; er wurde von uns so genannt.«
»Ist er weit von hier entfernt?«
»Nein. Mit der Maschine ist man in anderthalb Stunden dort.«
»Hm! Die hiesige Gegend ist mir leidlich bekannt, und Winnetou kennt sie noch besser. Freilich bin ich, seit Ihr hier arbeitet, nicht dagewesen und habe also keine Ahnung, wie Eure Strecke läuft. Könnt Ihr mir nicht den frühern Namen der dortigen Gegend sagen? Es genügt der Name eines Thales, eines Berges oder Flusses.«
»Der Rocky-ground schneidet durch den Fuß eines Berges, welcher keinen englischen Namen hatte; von den Roten wird er Ua-pesch genannt. Was das heißen soll, weiß ich nicht.«
»Uff! Ua-pesch!« rief Winnetou, als ob dieser Name sehr wichtig sei und ihn auf einen guten Gedanken bringe. Als infolgedessen alle ihn ansahen, machte er mit der Hand eine abwehrende Bewegung und fügte hinzu: »Mein Bruder Shatterhand mag an meiner Stelle sprechen. Er weiß es ebenso genau wie ich.«
Die Blicke richteten sich auf den Bezeichneten. Dieser nickte, befriedigt lächelnd, vor sich hin und sagte zum Engineer:
»Ihr wißt nicht, was Ua-pesch bedeutet? Genau dasselbe, wie der Name, den Ihr der Sache gegeben habt, natürlich Steinthal oder Felsenthal. Ihr wißt, daß wir nach dem Alder-Spring wollen. Habt Ihr eine Ahnung, wo diese Stelle liegt?«
»Nein. Ich weiß nur, daß Ihr morgen abend dort eintreffen wollt; es muß also wohl ein Tagesritt von hier sein.«
»Allerdings ein Tagesritt, weil man durch Thäler und Schluchten sehr viele Windungen zu machen hat. Eure Bahn aber scheint in gerader Richtung durchzuschneiden, wie ich höre, denn man braucht ungefähr drei Stunden, um zu Pferde von Eurem Rocky-ground nach dem Alder-Spring zu kommen. Und dieses letztere ist es, was mich und Winnetou so sehr erfreut.«
»Warum erfreut, Sir?«
»Weil es alle Sorgen, die wir ja haben könnten, von uns nimmt und uns gegen die Komantschen eine Karte in die Hand gibt, die sie gewiß nicht übertrumpfen können.«
»Das würde mich riesig freuen. Wollt Ihr es uns nicht erklären?«
»Sagt vorher, in welcher Verbindung Ihr mit Rocky-ground steht!«
»In einer immerwährenden. Wir haben zunächst telegraphische Verbindung, so daß ich in jedem Augenblicke depeschieren kann.«
»Schön! Und die Bahn? Geht der Schienenweg bis hin?«
»Ja, schon seit zwei Wochen. Wir befinden uns hier am Ende des provisorischen Schienenstranges.«
»Welcher Art sind die Wagen?«
»Natürlich noch nicht Personen-, sondern nur Bau-und Materialwagen.«
»Werden auch genügen. Habt Ihr solche Wagen hier?«
»Ein ganzes Dutzend.«
»Und eine Maschine?«
»Nein; die ging gegen Abend nach Rocky-ground zurück.«
»Befindet sich also dort?«
»Ja.«
»Gewiß?«
»Ganz gewiß.«
»So habt die Güte, zu gehen und, ehe wir weitersprechen, nach dieser Lokomotive zu telegraphieren!«
»Was? Wie? Telegraphieren?« fragte der Engineer.
»Nach der Maschine? Telegraphieren? Weshalb? Brauchen wir sie hier?« ertönten rundum die Fragen der andern Anwesenden.
Da sagte Winnetou in seinem ruhigen und doch so bestimmten Tone:
»Mister Engineer mag sofort telegraphieren, ohne lange zu fragen! Mein Bruder Shatterhand weiß ganz genau, was er will.«
Der Beamte widersprach ihm nicht und ging; als er nach einigen Minuten zurückkehrte, sagte er:
»Die Depesche ist fort. Ich habe da eine gewisse Verantwortlichkeit übernommen, hoffe aber, daß ich ihr genügen kann.«
»Habt keine Sorge, Sir; es wird Euch kein Vorwurf treffen!« beruhigte ihn Old Shatterhand.
»Ihr hättet mir aber doch wohl vorher sagen können, was die Maschine hier soll!«
»Ich wollte keine Zeit verlieren, denn sie muß wahrscheinlich erst wieder geheizt werden, ehe sie von dort abgehen kann.«
»Das ist richtig; es wurde mir das sofort zurückgeantwortet. Wer soll denn fahren?«
»Winnetou, ich und unsre zwei neuen Gefährten mit unsern Pferden.«
»Niemand von uns mit?«
»Nein.«
»Aber, Mister Shatterhand, das kann ich nicht verantworten. Für Privatextrazüge sind unsre Maschinen und Wagen nicht da.«
»Es handelt sich gar nicht um eine private Angelegenheit, sondern um Hilfe für Euch, gegen die Komantschen. Ich will Euch in kurzem sagen, wie die Sache stand, ehe wir heut hier ankamen, und wie sie nun jetzt steht. Es handelt sich dabei nicht etwa um Vermutungen, sondern um unumstößliche Gewißheiten. Wir täuschen uns
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