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Der schwarze Obelisk. Geschichte einer verspäteten Jugend

Der schwarze Obelisk. Geschichte einer verspäteten Jugend

Titel: Der schwarze Obelisk. Geschichte einer verspäteten Jugend Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Erich Maria Remarque
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es.»
      Die Witwe tobt sofort wieder los, mit doppelter Kraf, was keiner für möglich gehalten hätte. Sie versucht, mit einer elektrischen Taschenlampe den Missetäter vom Fenster aus zu erkennen; aber das Licht ist zu schwach.
      «Ich weiß, wer Sie sind!» zetert sie. «Sie sind Heinrich Brüggemann! Zuchthaus werden Sie dafür bekommen, eine schutzlose Witwe zu beleidigen, Sie Mörder! Schon Ihre Mutter –»
      Ich höre nicht weiter zu. Die Witwe hat ein gutes Publikum. Fast alle Fenster sind jetzt offen. Grunzen und Beifall tönen heraus. Ich gehe nach unten.
      Knopf wird gerade hereingeschleppt. Er ist weiß, Wasser läuf ihm über das Gesicht, und der Nietzsche-Schnauzbart hängt feucht über die Lippen. Mit einem Schrei macht er sich plötzlich frei, torkelt ein paar Schritte vorwärts und springt unversehens auf den Obelisken zu. Er umklammert ihn mit beiden Armen und Beinen wie ein Frosch, preßt sich gegen den Granit und heult.
      Ich sehe mich um. Hinter mir steht Georg in seinem purpurnen Pyjama, dahinter die alte Frau Kroll ohne Zähne, in einem blauen Schlafrock, mit Lockenwicklern im Haar, dahinter Heinrich, der zu meinem Erstaunen im Pyjama, ohne Stahlhelm und Orden aufaucht. Immerhin, der Pyjama ist in den preußischen Farben
    gestreif, schwarz und weiß.
    «Was ist los?» fragt Georg. «Delirium tremens? Wieder mal?»
      Knopf hat es schon ein paarmal gehabt. Er kennt weiße Elefanten, die aus der Wand kommen, und Lufschiffe, die durch Schlüssellöcher fahren. «Schlimmer», sagt der Mann, der der Witwe Konersmann standgehalten hat. Es ist tatsächlich Heinrich Brüggemann, der Installateur.
      «Die Leber und die Nieren. Er glaubt, sie wären geplatzt.»
      «Warum schleppt ihr ihn dann hierher? Warum nicht zum Marienhospital?»
      «Er will nicht ins Hospital.»
      Die Familie Knopf erscheint. Voran Frau Knopf, hinter ihr die drei Töchter, alle vier zerzaust, verschlafen und erschreckt. Knopf heult unter einem neuen Anfall auf.
      «Habt ihr einem Arzt telefoniert?» fragt Georg.
      «Noch nicht. Wir hatten alle Hände voll zu tun, ihn hierherzubringen. Er wollte in den Fluß springen.»
      Die vier weiblichen Knopfs bilden einen Klagechor um den Feldwebel. Heinrich ist ebenfalls zu ihm herangetreten und versucht, ihn als Mann, Kameraden, Soldaten und Deutschen zu beeinflussen, den Obelisken loszulassen und zu Bett zu gehen, um so mehr, als der Obelisk unter Knopfs Gewicht schwankt. Nicht nur Knopf sei in Gefahr durch den Obelisken, erklärt Heinrich, sondern die Firma müsse umgekehrt auch Knopf dafür verantwortlich machen, wenn dem Obelisken etwas passiere. Es sei wertvoller, hochpolierter S.-S.-Granit, der beim Fallen bestimmt beschädigt würde.
      Knopf versteht ihn nicht; er wiehert mit aufgerissenen Augen wie ein Pferd, das Geister sieht. Ich höre Georg aus dem Büro nach einem Arzt telefonieren. In einem Abendkleid aus leicht zerknittertem weißen Satin betritt Lisa den Hof. Sie blüht vor Gesundheit und riecht stark nach Kümmel. «Herzliche Grüße von Gerda», sagt sie zu mir. «Du sollst dich mal melden.»
      In diesem Augenblick schießt ein Liebespaar im Galopp hinter den Kreuzen hervor und heraus. Im Regenmantel und Nachthemd erscheint Wilke; Kurt Bach, der zweite Freidenker, folgt in schwarzem Pyjama mit russischer Bluse und Gürtel. Knopf heult weiter.
      Gottlob ist es nicht weit vom Hospital. Der Arzt kommt bald. Er wird in Eile aufgeklärt. Es ist unmöglich, Knopf von dem Obelisken zu lösen. Deshalb werden ihm von seinen Kameraden die Hosen so weit heruntergezogen, daß seine mageren Arschbacken frei sind. Der Arzt, der aus dem Kriege schwierigere Situationen gewöhnt ist, tupf Knopf mit einem Wattebausch ab, der in Alkohol getränkt ist, gibt Georg eine kleine Taschenlampe und jagt eine Spritze in Knopfs grell beleuchtetes Hinterteil. Knopf sieht sich halb um, läßt einen knatternden Furz fahren und gleitet am Obelisken herab. Der Arzt ist zurückgesprungen, als hätte Knopf ihn erschossen.
      Die Begleiter Knopfs heben ihn auf. Er hält den Fuß des Obelisken noch mit den Händen fest; aber sein Widerstand ist gebrochen. Ich verstehe, daß er in seiner Angst auf den Obelisken losgestürmt ist; er hat hier schöne, sorglose Augenblicke ohne Nierenkoliken verbracht.
      Man bringt ihn ins Haus. «Es war zu erwarten», sagt Georg zu Brüggemann. «Wie kam es?»
      Brüggemann schüttelt den Kopf. «Keine Ahnung. Er hatte gerade

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