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Der schwarze Obelisk. Geschichte einer verspäteten Jugend

Der schwarze Obelisk. Geschichte einer verspäteten Jugend

Titel: Der schwarze Obelisk. Geschichte einer verspäteten Jugend Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Erich Maria Remarque
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Rudolf.»
      «Wozu sagst du Lebewohl? Dies ist doch kein Abschied! Ich komme morgen wieder.»
      Sie sieht mich an. «Ach, Rudolf», sagt sie, als könne sie mir wieder etwas nicht klarmachen. «Wie soll man denn sterben können, wenn man nicht Abschied nehmen kann?»
      «Ja», sage ich. «Wie? Ich verstehe das auch nicht. Weder das eine noch das andere.»
      Wir stehen vor dem Pavillon, in dem sie wohnt. Niemand ist in der Halle. Auf einem der Korbsessel liegt ein sehr buntes Tuch.
      «Komm», sagt Isabelle plötzlich.
      Ich zögere einen Augenblick, aber ich kann um nichts in der Welt jetzt wieder nein sagen und gehe mit ihr deshalb die Treppe hinauf. Sie geht, ohne sich umzusehen, in ihr Zimmer. Ich bleibe in der Tür stehen. Sie schleudert mit einer raschen Bewegung die leichten goldenen Schuhe von ihren Füßen und legt sich aufs Bett. «Komm!» sagt sie. «Rudolf!»
      Ich setze mich zu ihr. Ich will sie nicht noch einmal enttäuschen, aber ich weiß auch nicht, was ich tun soll, und ich wüßte nicht, was ich sagen sollte, wenn eine Schwester oder Wernicke hereinkäme. «Komm», sagt Isabelle.
      Ich lege mich zurück, und sie legt sich in meinen Arm.
      «Endlich», murmelt sie. «Rudolf», und schläf nach wenigen tiefen Atemzügen ein.
      Es wird dunkel im Zimmer. Bleich steht das Fenster in der beginnenden Nacht. Ich höre Isabelle atmen und ab und zu Murmeln aus den Nachbarzimmern. Plötzlich wacht sie mit einem Ruck auf. Sie stößt mich von sich, und ich spüre, wie ihr Körper steif wird. Sie hält den Atem an. «Ich bin es», sage ich. «Ich, Rudolf.»
      «Wer?»
      «Ich, Rudolf. Ich bin bei dir geblieben.»
      «Du hast hier geschlafen?»
      Ihre Stimme ist verändert. Sie ist hoch und atemlos. «Ich bin hiergeblieben», sage ich.
      «Geh!» flüstert sie. «Geh sofort!»
      Ich weiß nicht, ob sie mich erkennt. «Wo ist das Licht?»
      «Kein Licht! Kein Licht! Geh! Geh!»
      Ich stehe auf und taste mich zur Tür. «Habe keine Angst, Isabelle», sage ich.
      Sie regt sich auf ihrem Bett, als versuche sie, die Decke über sich zu ziehen. «So geh doch!» flüstert sie mit ihrer hohen, veränderten
    Stimme. «Sie sieht dich sonst, Ralph! Rasch!»
      Ich ziehe die Tür hinter mir zu und gehe die Treppe hinunter. Unten sitzt die Nachtschwester. Sie weiß, daß ich Erlaubnis habe, Isabelle zu besuchen. «Ist sie ruhig?» fragt sie.
      Ich nicke und gehe durch den Garten dem Tor zu, durch das die Gesunden herein- und hinausgehen. Was war nun das wieder? denke ich. Ralph, wer mag das sein? Sie hat mich noch nie so genannt. Und was meinte sie damit, daß man mich nicht sehen sollte? Ich bin doch schon öfer abends in ihrem Zimmer gewesen.
      Ich gehe zur Stadt hinunter. Liebe, denke ich, und meine hochtrabenden Redensarten fallen mir wieder ein. Ich fühle eine fast unerträgliche Sehnsucht und ein fernes Grauen und etwas wie Flucht und gehe schneller und schneller, der Stadt entgegen mit ihrem Licht, ihrer Wärme, ihrer Vulgarität, ihrem Elend, ihrer Alltäglichkeit und ihrer gesunden Abkehr von Geheimnissen und vom Chaos, was für einen Namen man ihm auch geben mag.

    Nachts erwache ich von vielen Stimmen. Ich öffne das Fenster und sehe, daß der Feldwebel Knopf nach Hause gebracht wird. Das ist bisher noch nie geschehen; er ist bisher immer noch mit eigener Kraf zurückgekommen, wenn ihm der Schnaps auch aus den Augen lief. Er stöhnt stark. Rundum werden einige Fenster hell.
      «Verfluchter Saufold!» kreischt es aus dem einen. Es ist die Witwe Konersmann, die dort auf der Lauer liegt. Sie hat nichts zu tun und ist die Klatschtante der Straße. Ich habe sie in Verdacht, daß sie auch Georg und Lisa längst beobachtet.
      «Halten Sie die Schnauze!» antwortet von der dunklen Straße ein anonymer Held.
      Ich weiß nicht, ob er die Witwe Konersmann kennt. Auf jeden Fall ergießt sich nach einer Sekunde stummer Empörung ein solches Schimpfspülwasser über den Mann, über Knopf, über die Sitten der Stadt, des Landes und der Menschheit, daß die Straßte widerhallt. Endlich schweigt die Witwe. Ihre letzten Worte sind, daß sie Hindenburg, den Bischof, die Polizei und die Arbeitgeber des unbekannten Helden informieren werde. «Halten Sie die Schnauze, Sie ekelhafe Beißzange!» erwidert der Mann, der ungewöhnlich widerstandsfähig zu sein scheint, unter dem Schutz der Dunkelheit. «Herr Knopf ist schwer krank. Es wäre besser, Sie wären

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