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0455 - Der Zeit-Zauberer

0455 - Der Zeit-Zauberer

Titel: 0455 - Der Zeit-Zauberer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Werner Kurt Giesa
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Der Gnom zuckte zusammen, als er die Schritte hörte. Gehetzt sah er sich um, dann wieselte er davon, ein Gefäß umreißend. Ein Blick zurück verriet ihm, daß es der Honigtopf gewesen war, an dem er genascht hatte - klirrend zerbarst der Topf auf dem Boden. Im nächsten Moment schon wurde vor ihm die Tür aufgestoßen, und eine mächtige Hand packte zu und erwischte den Gnom, der nicht mehr fliehen konnte.
    »Habe ich Ihn wieder einmal ertappt!« tönte die tiefe Stimme. »Kann Er seine Pfoten denn nicht von Zucker und Honig lassen? Mon dieu , nie zuvor kam mir ein solch naschhafter Mensch unter! Mich dünkt, Er wäre besser als Bär geboren denn als Mensch, denn dann könnte Er ungestraft durch die Wälder ziehen und den Bienen direkt den Honig aus ihren Waben stibitzen!«
    Der Sprecher ließ den Gnom wieder los, den er in die Luft gelupft hat. Wie eine Katze landete der Gnom auf allen vieren, richtete sich sofort wieder auf, nur um sich unverzüglich tiefer zu verbeugen.
    »Ich danke Euch, Herr«, versicherte er mit heller Fistelstimme, die so gar nicht zu seiner schwarzen Erscheinung passen wollte. Er war nicht nur dunkel wie ein Neger, er war tiefschwarz wie Kohle. In seinem Gesicht, dessen Züge durch die tiefe, matte Schwärze der Haut nur schlecht zu erkennen waren, es sei denn, helles Licht traf es, leuchteten die Augen hell wie Kerzenflammen. Er war klein, vielleicht gerade mal vier Fuß hoch, bewegte sich meistens etwas gebückt, was seinen leichten Buckel deutlicher hervortreten ließ, und war schnell wie ein Wiesel. Schreiend bunt war seine Kleidung wie die eines Hofnarren, sonst hätte er vielleicht noch düsterer und unheimlicher gewirkt. Selbst die Innenflächen seiner Hände waren schwarz, und seine Haare glänzten wie Anthrazit.
    Er war eine Mißgeburt. Und er selbst wußte das nur zu gut.
    »Ich danke Euch, Herr«, wiederholte er noch einmal.
    Der Mann, der ihn losgelassen hatte, schüttelte verwundert den Kopf. »Wofür, Gnom?«
    »Dafür, daß Ihr mich Mensch genannt habt«, fistelte der Schwarze.
    »Ha, und ich dachte schon, Er würde dafür dankbar sein, daß ich Ihn vielleicht nicht auspeitschen lasse, weil Er doch schon wieder genascht hat.«
    »Oh, Herr, verzeiht, wenn ich Euch verbessere, aber Ihr seht dies falsch«, fistelte der Gnom unterwürfig. »Schaut, ich wollte wirklich nicht naschen, und ich habe auch nicht genascht. Ich brauche nur ein wenig dieser süßen, klebrigen Substanz für meinen Zauber. Ihr wißt, daß allerlei seltene Dinge dafür vonnöten sind, und…«
    »Ha!« unterbrach ihn der andere. »Krötenherzen, Rattenschwänze, giftige Pilze, Schierling, Fingernägel…«
    »O nein, Herr! Ihr wollt mich necken!« zeterte der Gnom. »Dabei wißt Ihr doch sehr wohl, daß die von Euch erwähnten Zutaten der Schwarzen Magie anhören. Doch ich bediene mich nicht der Schwarzen Kunst, sondern einer farbigen, hellen Magie, welchselbige zu weitaus besseren Resultaten führt, Herr.«
    »Davon geruhe ich bislang nichts zu bemerken, Gnom. Er faselt mir nur stets ins Ohr, wie gut Sein nächster Zauber wird, und wenn Er ihn dann erprobt, wird wieder nichts daraus. Gold soll Er machen, wie Er's mir versprochen hat! Parbleu , ist er ein Narr oder ein Zauberer? Eh? Rede Er gefälligst.«
    »Herr, sicher bin ich ein Zauberer, aber selbst die größten Alchimisten haben das noch nie vollbracht, was ich anstrebe, und ich komme der Sache immer näher! Seht Herr. Ich glaube, ich hab's gefunden. Schaut dies nicht aus wie die Farbe des Goldes, das Ihr verlangt?« Er streckte die Hand empor, an deren Fingern noch Honigreste klebten.
    »Ha!« lachte der wohlbeleibte Mann neben ihm. »Das will ich nun sehen. Flink mit dem Maul ist Er, nun zeige Er, daß Er mit diesem Honig auch mehr kann als nur daran naschen! Ich will Erfolge sehen, nicht nur immer diese jämmerlichen Katastrophen, die Er zustandebringt. Vielleicht sollte ich Anweisung erteilen, daß die Speisekammer fest verschlossen wird und Er auch nicht mehr in die Kellerräume hinabgelassen wird, wo die anderen Vorräte liegen. Los, bewege Er sich! Spute Er sich, mir Seinen neuen Honigzauber vorzuführen! - Honigzauber, ha, was für ein Unsinn!«
    Der Gnom verneigte sich abermals tief und wieselte davon. Sein Herr hatte Mühe, ihm so rasch zu folgen. Immerhin brachte er ein stattliches Übergewicht mit sich, das nur unter Schwierigkeiten in die prunkvolle Kleidung paßte. Er trug hochschäftige, auf Hochglanz polierte Stiefel mit goldenen

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