Der schwarze Tod
die Münzen. Es war fürstliche Bezahlung.
Die beiden Frauen verschwanden in der Nacht. Sebalt steckte die Münzen in sein Wams und vertäute das Floß. Schlafen konnte er auch am Ostufer, und gegen diesen nächtlichen Zusatzverdienst hatte er nicht das Geringste einzuwenden.
"Wir sind fast ersoffen", stöhnte Mattis. Er schüttelte sich wie ein Hund, und Wasser spritzte in alle Richtungen. "Die Strömung ist teuflisch!"
Rosa tätschelte ihm mitfühlend die Schulter und beugte sich dann über Johann.
Außer seinem schwachen, rasselnden Atem zeigte der junge Mann keine Lebenszeichen. Seine Haut war fahl wie die einer Leiche im Mondlicht. Er hatte die Augen geschlossen. Seine Lippen waren rissig.
Vorsichtig klopfte sie auf seine Wangen, doch sein Kopf schwang leblos hin und her.
"Hat er es überstanden?", fragte Anna ängstlich und zerrte sich das Kissen unter ihrem Hemd hervor.
"Wenn du die Überfahrt meinst, ja", sagte Mattis. "Ich habe ihm den Kopf über Wasser gehalten. Wenn du die Krankheit meinst - nein. Suchen wir ihm ein Plätzchen, an dem er ungestört sterben kann."
Rosa seufzte. Sie konnte nur hoffen, dass Anna nicht zu sehr an dem jungen Mann hing.
"Bringen wir ihn vom Ufer weg. Ich möchte ein Lagerfeuer machen, ohne dass halb Köln es sieht."
Sie fanden einen schmalen Pfad, der zu einer Holzlege im Wald führte. In einer moosigen Senke entzündeten sie ein Lagerfeuer und bereiteten Johann ein Lager. Anna schob ihm das Kissen unter den Kopf, das sie für ihren Babybauch verwendet hatte. Rosa öffnete seine Jacke und streifte ihm das Hemd hoch. Die Beulen in seinen Achselhöhlen waren prall angeschwollen und schwärzlich verfärbt.
"Wir schneiden sie auf, damit das Gift abfließen kann", entschied sie. "Wenn sie sich in den Körper hinein entleeren, ist er noch viel schneller tot."
"Und das wäre möglicherweise ein Segen", knurrte Mattis.
"Still. Gib mir dein Messer."
Sie nahm das Messer in Empfang und hielt es über die Flammen, um Dreck und Gift davon abzubrennen.
"Wäre er wie wir, könnte er gesund werden", sagte Anna in die Stille hinein. "Oder nicht?"
"Möglicherweise", erwiderte Rosa. "Aber er ist nun mal nicht wie wir."
"Er könnte es aber werden."
"Willst du ihm dein Seelenheil opfern? Deine Unsterblichkeit?"
"Was würde denn genau passieren, wenn wir ihn zu einem von uns machen?"
"Du würdest dir Gottes Zorn aufladen", knurrte Mattis. "Du würdest werden wie sie. Ein Tier. Ein Ungeheuer. Deinen Trieben ausgeliefert. Du würdest Dörfer niedermetzeln, Unschuldige zerfetzen, dich mit Blut besudeln. Du hättest keine Kontrolle mehr über deine Taten. Und wenn jemand dich schließlich zur Strecke bringt, fährst du direkt hinab in die Hölle, um für alle Ewigkeit für deine Sünden zu büßen."
Anna sah eingeschüchtert zwischen Rosa und Mattis hin und her.
"Keiner von uns kann das also tun ...?"
Rosa nahm die Klinge aus dem Feuer.
"Nein. Und jetzt haltet ihn fest."
Johanns Schreie gellten durch die Nacht, als sie das heiße Metall beherzt in die Beulen stach.
Nach der dritten Behandlung war Johann bewusstlos, und Mattis konnte ihn loslassen. Sie sahen sich um. Anna war verschwunden.
5. Kapitel
Köln im Sommer 1606
« Vielleicht will sie sein Ende nicht erleben? »
Johanns Fieber stieg. Sie zogen ihm die nassen Kleider vom Leib und hüllten ihn in eine Decke, die Rosa in ihrem Bündel mitgebracht hatte, Seine nasse Jacke benutzten sie, um ihm die Stirn zu kühlen, doch es half nichts. Der Schüttelfrost warf ihn umher wie eine Strohpuppe, und er stieß immer wieder unverständliche Wortfetzen heraus. Fieberträume quälten ihn.
"Und?", fragte Rosa, als Mattis von einem seiner Rundgänge zurückkam.
"Nichts. Sie ist verschwunden. Ich müsste wandeln, um ihre Spur aufzunehmen ..."
"Dann tu das."
"Sie ist von selbst weggelaufen, Rosa, und hat uns den armen Burschen dagelassen. Vielleicht will sie sein Ende nicht erleben?"
"Finde sie, Mattis! Sie führt etwas im Schilde, ich spüre das."
Mattis seufzte und begann, seine Kleidung abzulegen.
"Du weißt, ich wandle nicht gerne so nah bei menschlichen Behausungen."
"Ich weiß, Mattis. Ich kann es nicht ändern. Wir müssen uns alle vor Annas Dummheiten bewahren. Sie ist so unerfahren ..."
Sie sah ihn an, wie seine blasse Haut im Mondlicht schimmerte. Die breiten Schultern, die dunklen Locken, die von seiner Brust hinunter bis zu seinem Geschlecht führten, seine sehnigen Beine. Plötzlich hatte sie Sehnsucht nach ihm, seine
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