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Aethermagie

Titel: Aethermagie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Gerdom
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1
Die Zeitlosen
    Der unterirdische Raum lag im flackernden Schein von Kerzen und Fackeln. Schatten tanzten über die rauen Wände und waberten in den Ecken, als gäben sich Gespenster in ihnen ein Stelldichein.
    In der Mitte des Gewölbes stand eine lange Eichenholztafel, umringt von dreiundzwanzig hochlehnigen Stühlen. In einem riesigen rußgeschwärzten Kamin loderte ein mächtiges Feuer, dem es aber nicht gelang, die Kälte aus dem Gewölbe zu vertreiben.
    Eine hochgewachsene Gestalt in einer dunkelgrauen Kutte stand mit gesenktem Kopf hinter dem geschnitzten Lehnstuhl am Kopfende. Schritte hallten durch den Gang, der zum Gewölbe führte. Eine Gruppe von Vermummten trat schweigend ein und verteilte sich, bis hinter jedem Stuhl, bis auf den dreiundzwanzigsten, ein Mensch stand.
    Einige Augenblicke lang herrschte Stille, dann hob der erste der Vermummten den Kopf und sagte mit leiser, tragender Stimme: »Nehmt Platz.«
    Scharren von Stuhlbeinen, Rascheln und Stühlerücken, dann war es wieder still. Einundzwanzig kapuzenverhüllte Köpfe wandten sich erwartungsvoll dem Mann am Haupt der Tafel zu.
    Der schien sich schweigend zu sammeln. Seine Hände lagen auf einem Bogen Papier, der mit dunkelvioletter Tinte eng beschrieben war. Die Nächstsitzenden konnten das Siegel erkennen, das gebrochen an dem geöffneten Brief hing: Es zeigte die Lemniskate, das Zeichen für Unendlichkeit in Form einer liegenden Acht, durchstoßen von einem stilisierten Schwert. Das Schreiben stammte aus der Hand des auf so geheimnisvolle Weise verschwundenen Paters Guardianus.
    Der Mann am Kopf des Tisches hob nun den Blick und sah die Versammelten an. »Magistri«, sagte er, »in meiner Funktion als Magister Superior eröffne ich unser Treffen als der ernannte Vertreter unseres Paters Guardianus, der uns in einer geheimen Mission verließ und mir zuvor dieses Vermächtnis zu treuen Händen und mit der Weisung gab, es zu öffnen und euch seinen Inhalt zu verkünden, sollte er nicht bis zum Tag der Zweiten Unendlichkeit zu uns zurückgekehrt sein. Dieser Tag ist verstrichen, ohne dass uns eine Nachricht unseres Oberhauptes erreicht hätte.« Er hielt inne und schien um Fassung zu ringen.
    »Ich habe sein Vermächtnis geöffnet«, fuhr er fort. »Pater Guardianus entbietet dem Rat seinen brüderlichen Gruß und bittet uns, ihn mit dem heutigen Tag von seinem Amt zu entbinden und einen aus unserer Mitte als seinen Nachfolger …«
    Er konnte nicht fortfahren, weil seine Worte einen unerhörten Aufruhr verursachten. Die vordem so stillen und gefassten Magister sprangen auf, riefen durcheinander, erbaten Aufklärung, stießen Laute der Erschütterung und des ohnmächtigen Zorns aus.
    »Setzt euch, ich bitte euch, liebe Magistri«, rief der Superior, und die Trauer und Erschöpfung in seiner Stimme ließ die hitzigen Aufwallungen der anderen Magister ersterben.
    Eine Weile war das Knistern und Knacken des Feuers im Kamin das einzige Geräusch, das die gespannte Stille störte. Der Magister Superior räusperte sich mehrmals, dann verlas er mit heiserer, aber fester Stimme das Vermächtnis, aus dem unmissverständlich hervorging, dass das geliebte und hochgeachtete Oberhaupt des Zeitlosen Ordens mit der Möglichkeit seines gewaltsamen Todes rechnete und ihn zum Zeitpunkt der Eröffnung des Briefes als ein gegebenes Faktum annahm.
    Nach einer Stunde der hitzigen Diskussion über die letzten Worte des Paters Guardianus bat der Superior um eine Pause, nach der sich der Innerste Zirkel zu einer Beratung über die Nachfolge des vormaligen Ordensoberen verständigen würde.
    Die Magister verteilten sich, die Diskussion in kleinen Gruppen weiterführend, in dem Gewölbe und seinen Nebenkammern. Zwei von ihnen, eine hochgewachsene, schlanke Gestalt und ihr kleinerer, gedrungener Begleiter, verließen das Gewölbe durch einen niedrigen Torbogen und blieben in einem zugigen Gang stehen.
    Der größere der beiden Magister schob seine Kapuze in den Nacken und enthüllte ein kantiges Gesicht mit großen, schwerlidrigen Augen und kinnlang geschnittenem dunklem Haar, das durch die Kapuze zerzaust in Strähnen in eine breite, blasse Stirn fiel. »Verdammte Sache«, sagte die Frau mit einer tiefen, ein wenig heiseren Stimme.
    Ihr Begleiter schob nun auch seine Kapuze zurück, wandte der Frau ein müdes, nicht mehr ganz junges Gesicht zu und lehnte sich mit hochgezogenen Schultern gegen die raue Wand des Ganges. »Was denkst du, Katya?«, fragte er. »Glaubst du,

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