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Der Schwefelfluss

Der Schwefelfluss

Titel: Der Schwefelfluss Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hubert Haensel
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verbreiteten den kaum noch zu ertragenden Pestgeruch.
    Armos taumelte zurück. Schmerzhaft schlug sein Herz, und in seinen Schläfen pochte das Blut. Flucht, war der einzige Gedanke, der ihn erfüllte. Fort von diesem Ort des Grauens, auf dem der Hauch des Todes lastete. Die Arme auf seinen rebellierenden Magen gepresst, hastete Armos in verkrümmter Haltung durch die noch stillen Gassen. Bedrückend die unzähligen windschiefen Gebäude mit ihren glaslosen Fensterhöhlen und schief in den Angeln hängenden Türen.
    Hinter ihm wurden Schritte laut. Ohne es eigentlich zu wollen, wandte er sich um.
    Ein verzerrtes Gnomengesicht starrte ihn an. Feurige Augen schienen durch die Dämmerung zu glühen, und ein zahnloser Mund öffnete sich. Zwei unglaublich dürre Arme streckten sich ihm hilfesuchend entgegen. »Mitleid, Fremder.«
    Armos hastete weiter. Keuchend ging sein Atem; die Luft brannte wie Feuer in seiner Lunge. Er wusste nicht, wohin. Irgendwo hoffte er Linderung zu finden. Aber immer wieder kam er in die Nähe von Kanälen, aus denen Wolken ätzender Dämpfe aufstiegen.
    Allmählich erwachte Ugalos, zögernder als gewöhnlich und keineswegs so lärmend und geschäftig wie sonst. Armos' Wunde war wieder aufgebrochen. Der Schmerz brachte ihn ein wenig zur Besinnung und lenkte ihn ab.
    Er kam wieder in Stadtteile, die er kannte. Aber auch hier hatte sich das Wasser in eine schleimige Brühe verwandelt. Tote Fische trieben mit aufgedunsenen Bäuchen dahin. Die kunstvoll geschnitzten Brücken überzogen sich langsam mit einer mattgelben Schicht.
    Überall wurden Stimmen laut. Angstvolle Schreie hallten durch die Straßen. Angesichts des drohenden Unheils gab es kaum einen Bewohner, der nicht seine Götter anlief. Fliegende Händler machten die Geschäfte ihres Lebens. Fetische und Amulette gegen den bösen Zauber wurden ihnen förmlich aus den Händen gerissen.
    Benommen sah Armos eine Weile dem hektischen Treiben zu, dann wandte er sich ab. Irgend etwas trieb ihn unaufhaltsam vorwärts.
    Je länger er dem verderblichen Einfluss der Dämpfe ausgesetzt war, desto mehr verlor er die Kontrolle über sich. Seine Bewegungen wurden eckiger, ungelenkig. Es fiel ihm schwer, sich dagegen zu sträuben.
    Entlang den Ufern verdorrte das Gras. Schwefliger Schleim schlug sich nieder. Zunächst nur in unmittelbarer Nähe der Wasserläufe, dann auch auf den Straßen und Gassen im weiteren Umkreis.
    Frerick Armos hörte jemanden predigen. Eine aufgeregte Menschenmenge wälzte sich vor ihm dahin. Als er näher kam, verstand er den Mann, der auf einem leeren Weinfass stand und lautstark seine Meinung kundtat. Das Ende der Welt sei nahe. Es beginne damit, dass sich die alten Legenden erfüllten.
    *
    Niemand sah die Luftblasen im linken Hauptarm der Lorana aufsteigen. Das sonst reißende Wasser schien still und träge geworden zu sein. Ein Trugschluss, denn unter der schleimigen Schicht, mit der sich der Fluss während der Nacht überzogen hatte, war die Strömung unvermindert heftig.
    In dem einsam unmittelbar am Ufer gelegenen Haus wurde es lebendig. Poltergeister schienen in dem halb verfallenen Gemäuer zu wüten. Aber niemand war in der Nähe, den die Geräusche erschrecken konnten.
    Seit beinahe zwanzig Sonnenwenden mied jeder Bürger von Ugalos diesen Platz. Zu frisch war die Erinnerung an etliche grauenvoll entstellte Leichen, Bewohner dieses Hauses, die der Fluss nur wenige Schritt unterhalb an Land gespült hatte. Das Werk von Dämonen, vielleicht sogar der Mächte aus der Schattenzone.
    Nur dem Erzmagier Vassander und seinen Bannsprüchen war es zu verdanken gewesen, dass das Böse nicht auf ganz Ugalos übergreifen konnte. Mit Hilfe der Weißen Magie hatte er in zähem Ringen alles Unheil in diesem Gebäude binden können. Seither verfiel das Haus und wurde mit seinen wild wuchernden Dornenhecken zum Schandfleck.
    Irgendwo polterte ein loser Mauerstein zu Boden. Staub wirbelte auf; es knackte und krachte im morschen Gebälk. Ein heiserer Schrei, dann ein schwarzer Schatten, der sich von dem Mauervorsprung löste und mit mächtigen Flügelschlägen dem fernen Horizont zustrebte.
    Unterdrücktes Fluchen folgte ihm. Schritte knirschten über sandigen Boden. Die einzige Tür wurde von innen her aufgestoßen und schwang knarrend in ihren Angeln herum.
    Dann - Stille. Nur unterbrochen von dem leisen Geräusch gepresster Atemzüge.
    Ein purpurner Spitzhut erschien, mit schmaler, weicher Krempe und vielfältigen magischen Symbolen,

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