Der schweigende Mund
»Das ist auf diesem Band alles. Aber ich glaube, das setzt Sie hinreichend ins Bild.«
Obwohl Sellers sich offensichtlich zu beherrschen versuchte, konnte der Blick, mit dem er Keetley nun musterte, sein Erstaunen und seine Erregung nicht verbergen.
»Das wäre es also«, sagte Keetley und schaltete den Apparat ab. »Das übrige kann ich Ihnen erzählen. Einiges habe ich selbst herausgefunden, für den Rest gehe ich jede Wette ein, daß es nur so abgelaufen sein kann.«
»Ich bin sehr gespannt, fangen Sie gleich damit an«, sagte Sellers.
»Daphne Ballwin nahm das Gift an sich und ging nach Hause. Sie war auch so klug, sich ein Alibi zu verschaffen, und zwar für den Fall, daß man Verdacht schöpfen würde, es könne sich nicht um eine Vergiftung durch Nahrungsmittel handeln. Zum Zweck des Alibis besorgte sie sich eine Mokkatasse, die ihre Sekretärin Carlotta Hanford am Vorabend benutzt hatte und an der sich noch deren Fingerabdrücke befanden. In dieser Mokkatasse vermengte sie Gift und Anchovispaste. Dann bereitete sie die Biskuits zu... Bevor ihr Mann nach Hause kam, stellte sie die Platte auf die Anrichte, denn ihr Plan sah vor, daß der Diener die Hors d’oeuvres servieren sollte... Inzwischen wissen wir, daß Daphnes Rechnung nicht aufging. - Das Schicksal hatte es eben anders gewollt... Daphne hatte diesen jungen Mann irgendwo aufgelesen. Zugegeben, er versteht etwas vom Autofahren, aber das ist auch alles. Für Daphne war er so eine Art Spielzeug im Kampf gegen Langeweile. Vielleicht würde sie später auch noch Doktor Quay beseitigt haben, um das Leben mit diesem Chauffeur auszukosten. Bisher hatte sie ihn wirklich nur zum Zeitvertreib gern. Schon die Tatsache, daß sie ihn zu einer Arbeit zwingen konnte, die ihm an und für sich verhaßt war, befriedigte ihre Machtgelüste. Doch als Diener war er nun wirklich total unfähig. - Als er die Platte in das Wohnzimmer bringen sollte, müssen ihm vorher einige Biskuits entweder auf die Anrichte oder vielleicht sogar auf den Fußboden gefallen sein. Als er sie wieder auf die Platte zurücklegte, brachte er die tödlichen mit den ungefährlichen völlig durcheinander. Daphne hatte inzwischen die Kapsel mit dem Arsenik eingenommen. - Als der Diener die Platte reichte, steckte sie ihrem Mann ein Biskuit direkt in den Mund, von dem sie annehmen mußte, daß es Gift enthielt. Ob dieses Stück nun auch wirklich eins der für ihn bestimmten war, sei dahingestellt. Jedenfalls nahmen die Ballwins noch diverse Hors d’oeuvres zu sich. Dabei muß sie selbst ein oder zwei von den vergifteten gegessen haben. Wäre dem Diener nicht das Mißgeschick unterlaufen und hätte Carlotta Hanford nicht sofort Verdacht geschöpft, mit einem Arzt telefoniert und die Polizei benachrichtigt, so wäre alles planmäßig vonstatten gegangen. Statt nur krank zu werden, wie sie und Quay es vorgesehen hatten, brach Daphne infolge der eingenommenen Überdosis zusammen. - Das, meine Herren«, schloß Keetley mit einer kleinen Handbewegung, »sind in großen Zügen die Einzelheiten dieses Mordes.«
»Und wie erklären Sie sich den Mord an Ethel Worley?« fragte ich.
»Zufällig bin ich auch darüber unterrichtet«, sagte Keetley. »Jetzt kann ich es ja zugeben: Ich bin Ruth Otis tatsächlich zum Union-
Bahnhof nachgefahren, weil das törichte Ding ihre Hände nicht aus dem Spiel lassen konnte. Da Doktor Quay annehmen mußte, daß man auch ihn befragen würde, und da er wußte, daß die Giftabgabebücher in den Drogerien seine früheren Arsenikkäufe auswiesen, ließ er durch seine Assistentin kurz vorher, als er den Tag für die Durchführung der Tat näherkommen sah, Arsenik kaufen, obgleich er noch genügend im Hause hatte. Er wollte, falls ihn die Polizei danach fragen sollte, eine überzeugende Antwort zur Hand haben. Sicher dachte er etwa an diese Formulierung: >Es stimmt, meine Sprechstundenhilfe hat Arsenik für mich gekauft. Es war mir vor einigen Wochen ausgegangen, und ich muß immer etwas davon vorrätig haben, weil ich es für diesen und jenen Zweck benötige. Aber das von Ruth Otis gekaufte Arsenik kann keinerlei Verbindung mit den Vorgängen im Hause Ballwin haben, denn es liegt noch völlig unberührt auf dem Medikamentenschrank in meinem Laboratorium.< - Die Polizei würde dann die Richtigkeit seiner Behauptung feststellen, um so mehr, als ja tatsächlich vom Inhalt nichts gefehlt hätte. Da die Otis nun Angst bekam, daß man sie mit der Mordsache in Verbindung bringen
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