Der schweigende Mund
her schwang - das einzige äußere Zeichen seiner inneren Erregung.
»Wird’s nun bald!« feuerte Sellers ihn an.
»Also gut, ich werde Ihnen alles erzählen: Meine Schwester Anita heiratete damals Gerald Ballwin. Wir hatten ein sehr herzliches Verhältnis zueinander, wie es unter Geschwistern selten anzutreffen , ist. Ich war von Anfang an gegen eine Heirat mit Gerald, weil ich ihn für einen unseriösen Kaufmann und einen Schürzenjäger hielt. Meine Befürchtungen in privater Hinsicht wurden sehr bald bestätigt, denn er ließ sich schon bald nach der Hochzeit mit Daphne ein. Urplötzlich erkrankte meine Schwester. Es handelte sich um eine schwere Magenverstimmung, mit der sie lange daniederlag. - Nachdem bereits eine deutlich spürbare Besserung ihres Zustandes eingetreten war, starb sie von heute auf morgen. Eine Autopsie wurde nicht vorgenommen. Der Arzt stellte einen üblichen Totenschein aus, in dem als Ursache des Hinscheidens Komplikationen im Anschluß an eine Störung in den Verdauungsorganen auf Grund des Genusses verdorbener Nahrungsmittel angegeben waren. Später heiratete Gerald dann Daphne. Ich Trottel schöpfte aber erst nach etwa einem halben Jahr Verdacht. Doch als ich begann,, mich mit den näheren Begleitumständen zu befassen, stieß ich auf eine Menge mysteriöser Dinge. Aber alles Erkennen kam zu spät. Der Leichnam war verbrannt und die Asche an einem Berghang verstreut worden Trotzdem machte ich mich nun daran, gewissen Spuren und Vermutungen nachzugehen. Auch eignete ich mir einige Kenntnisse Ihres Berufes an.«
Keetley ging zu einem Regal und griff ein Buch mit dem Titel >Gerichtsmedizin< heraus. Dann fuhr er fort: »Dies ist die vierte Auflage des >Sidney Smith<. Auf Seite zweihundertvierundsechzig steht, was er über Arsenik zu sagen weiß. Es ist ein merkwürdiges Gift. Selbst wenn es sich im Körper eines Menschen, der es zu sich nahm, nicht mehr nachweisen läßt, so befinden sich lange danach noch immer Arsenikspuren in den Haaren und Nägeln. Ich zitiere Smith: >Arsenik dringt einige Zeit nach der Vergiftung auch in die Haare vor und setzt sich dort viele Monate lang fest. Es kann daher im Haar noch nachgewiesen werden, auch wenn es aus dem übrigen Körper bereits verschwunden ist.< Unter den persönlichen Sachen meiner Schwester, die mir nach ihrem Tode übergeben wurden, befand sich auch eine Haarbürste, die sie in den letzten Tagen benutzt hatte. Die zufällig darin noch befindlichen Haare ließ ich in
einem Institut untersuchen, und es wurde mir bestätigt, daß sich deutlich Spuren von Arsenik gezeigt hätten.«
»Warum haben Sie hiervon nicht gleich die Polizei in Kenntnis gesetzt?« fragte Sellers.
Keetley blickte ihn skeptisch an: »Die Polizei? Die würde doch nur von einem falschen Verdacht geredet und obendrein behauptet haben, das Haar in der Bürste stamme nicht von Anitas Kopf. Meine weiteren Bemühungen stießen auf erhebliche Schwierigkeiten, denn ich konnte keinerlei andere Beweisstücke mehr auf treiben. Nichts, was im Bereich meiner Möglichkeiten lag, habe ich unversucht gelassen. So ging ich auch in die Drogerien und habe die Giftabgabebücher durchgesehen. Wo nur irgendein Zusammenhang gegeben war, schnüffelte ich herum. Um mich wirkungsvoller zu tarnen, spielte ich nach außen hin einen Trunkenbold und mimte einen Tagedieb, der sich seine Zeit mit Rennwetten vertreibt.«
»Und während der ganzen Zeit haben Sie nach weiteren Beweisen gegen Gerald Ballwin Umschau gehalten?« fragte Sellers.
»Gegen Gerald...? Wie kommen Sie nur auf den? Daphne Ballwin nahm ich mir unter die Lupe!«
»Daphne? Aber sie wurde doch selbst ein Opfer.«
»Ja, da haben Sie natürlich recht - jetzt ist sie tot.«
Sellers schloß die Augen: »Fahren Sie fort«, sagte er.
»Daphne ist tot, und aus Pietätsgründen sollte man sie ruhen lassen. Doch diese Rücksichtnahme ist in ihrem Falle nicht angebracht, denn sie war nicht nur ein Flittchen, sondern auch eine Bestie. Bei all meinen Nachforschungen habe ich sie ständig im Auge behalten. So kam ich auch dahinter, daß sie sich sehr für Doktor Quay interessierte. Kombinationen, die ich nach allen Richtungen anstellte, brachten mich auch auf den Gedanken, daß sie diesen Doktor Quay vielleicht dazu benutzt hatte, um sich von ihm das Gift zu beschaffen, an dem meine Schwester Anita zugrunde ging. Ich sah die Giftabgabebücher der umliegenden Drogerien noch einmal gründlich durch, und da entdeckte ich, daß Doktor Quay hin
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