Der Schwur der Königin
Durcheinander um ihn herum zeugte von seiner Verzweiflung. Die wenigen am Leben gebliebenen Pferde waren mit Wunden bedeckt und so abgemagert, dass die Knochen unter der Haut hervortraten. Die Pferche für die Schweine und Rinder waren leer, die Gatter zerborsten. Das Lager selbst starrte vor Schmutz. Halb nackte Männer irrten apathisch umher, andere kauerten stöhnend im Freien und leerten ihre Gedärme. Ein entsetzlicher Gestank schlug mir entgegen. Die Luft war verpestet von Fäulnis und dem Geruch von Tod.
Als Fernando mich nach einem matten Kuss durch das Lager führte, stand für mich fest, dass die Lage schlimmer war als alles, was wir je erlebt hatten. Über die Hälfte unserer Männer war tot. Die andere Hälfte lag krank darnieder oder starb langsam an der Ruhr. Bei einem Rundgang durch die übervölkerten Lazarette bot sich mir der Anblick von Männern, die auf durchhängenden, von Läusen infizierten Pritschen lagen, mich aus hohlen Augen anstarrten und wie Kinder weinten.
In der Nacht erzählte ich Fernando, dass ich uns mehr Geld besorgt hatte. »Wir werden Getreide heranschaffen und mehr Brunnen graben«, sagte ich. »Die fortgeschwemmten Straßen werden neu gebaut, und in Andalusien rekrutieren wir jeden waffenfähigen Mann. Falls nötig, fordern wir aus Kastilien Verstärkung an und treiben jeden zusätzlichen Betrag ein, der erforderlich ist. Aufgeben kommt nicht infrage.« Ich packte seine Hand. »Nie!«
»Wie immer bringst du Hoffnung«, erwiderte Fernando. »Aber mit Hoffnung lässt sich diese Stadt nicht gewinnen, meine Luna. Und jetzt kommt der Winter. Wie sollen wir ihn hier überleben? Einmal hast du mir zum Rückzug aus Málaga geraten, aber ich habe nicht auf dich gehört. Jetzt, fürchte ich, ist der Abzug unsere einzige Wahl.«
Noch nie hatte ich ihn so niedergeschlagen gesehen. Er wirkte auf mich, als wäre seine ganze Leidenschaft versiegt. In diesem Moment begriff ich, dass er das Ende seiner scheinbar unerschöpflichen Reserven erreicht hatte; er war jetzt siebenunddreißig Jahre alt, ein Alter, in dem die meisten Könige sich darauf freuten, die Früchte ihrer Großtaten in der Jugend zu ernten. In der ganzen Zeit unserer Ehe hatte er nicht mehr als ein paar vereinzelte Friedensmonate genossen; ständig hatte er Krieg geführt oder einen vorbereitet. Jetzt saß er erschöpft und niedergedrückt neben mir und gab sich die Schuld für das Scheitern unseres anscheinend unerreichbaren Traumes von einem vereinten Spanien.
»Nein«, sagte ich leise, »Hoffnung kann diese Stadt nicht bezwingen, aber wir können das sehr wohl. Wir müssen . Du hast so viel geleistet. Überlass den Rest mir.«
Mit einem Seufzen erteilte er mir seine Zustimmung. »Wenn jemand Baeza bezwingen kann, meine Luna , dann du.«
Nie hätte ich solche Worte aus seinem Mund für möglich gehalten. Andererseits hatte ich tief im Herzen gewusst, dass er meine Tapferkeit respektierte und schätzte. Nur dass er freiwillig eine so bedeutende Aufgabe wie den Sturz einer Stadt meinen Händen anvertrauen würde, das hätte ich mir nie vorstellen können. Gelang mir das nicht, würden wir wahrscheinlich den ganzen Kreuzzug verlieren. Die nächsten zehn Jahre würden wir dann mit kleineren Scharmützeln, langwierigen Belagerungen und nutzlosen Schlachten verbringen, uns mit Blut, Schweiß und gewaltigen Ausgaben im Frühling und Sommer etwas zurückholen, das uns die Mauren im Winter erneut stehlen würden. Am Ende wären unsere Geldmittel und die Fähigkeit, neue aufzutreiben, erschöpft. Obwohl sie alle sich wünschten, dass die Mauren über die Straße von Gibraltar dorthin zurückgetrieben würden, woher sie gekommen waren, waren weder der Papst, noch die anderen katholischen Monarchen Europas bereit, sich von einem Teil ihres Wohlstands zu trennen, der uns genügen würde, unseren Kreuzzug auf unbestimmte Zeit weiterzuführen.
Wenn wir Granada je einnehmen wollten, musste Baeza uns gehören. Und obwohl die Gefahren nicht von der Hand zu weisen waren, hatte ich eine Idee.
Während Fernando sich ein paar Tage lang ausruhen sollte, traf ich mich mit den anderen Kommandanten zu einer Lagebesprechung. Auch wenn es uns an so gut wie allem fehlte, hatten wir nach der Rodung des Waldes, der als Bollwerk zwischen Baeza und uns gedient hatte, immerhin reichlich Holz zur Verfügung. Mein Plan sah vor, das Holz zu lagern und noch mehr Bäume zu fällen; und während wir damit beschäftigt waren, wollte ich Vorräte und
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