Der Schwur der Königin
jeglichem neuen Antrag zustimmen …«
»Das wird Monate dauern! Soll ich etwa den König und unsere Armee in Baeza draußen im Stich lassen, während wir hier bei den Adeligen betteln und darauf warten, dass die Cortes sich zu einer Entscheidung durchringen? Hohe Herren, Ihr seid der von uns berufene Kronrat. Ihr müsst doch einen besseren Ausweg wissen.«
Keiner brachte den Mund auf, doch ihre abgewandten Blicke waren Antwort genug.
»Von mir aus«, fauchte ich. »Dann nehme ich die Sache selbst in die Hand.« Wütend scheuchte ich sie hinaus. Ein solcher Mangel an Initiative widerte mich an. So schaute ich auch gar nicht auf, während sie einer nach dem anderen hinaustrippelten. Als ich schließlich wieder aufschaute, ruhte nur noch Mendozas stählerner Blick auf mir. Ein Mann von Anfang sechzig, mit ledriger Haut und von drahtiger Erscheinung, gehörte er zu meinen markantesten Mitstreitern in Kastilien. Er hatte tatkräftig an unserem Kreuzzug teilgenommen – oft war er an der Spitze seiner Truppen in die Schlacht geritten – und zeigte nicht nur leidenschaftliches Interesse an Architektur und Bildung, sondern führte auch Aufsicht über die Organisation unseres neuen Heiligen Amtes. Zudem teilte er meinen Wunsch, unser im Entstehen begriffenes Königreich zu einer Macht zu gestalten, die hinsichtlich Größe und Anziehungskraft keinen Vergleich zu scheuen brauchte, ja, von allen anderen Nationen gefeiert und umworben wurde.
»Ich weiß, woran Eure Majestät denken«, sagte er, »und ich flehe Euch an, das nicht länger in Erwägung zu ziehen. Ihr habt diesen Weg zu oft beschritten, und sie haben ohnehin schon zu großen Zugriff auf Euer Erbe. Würdet Ihr etwa dem Sieg in diesem Krieg zuliebe Euer gesamtes Reich den Juden übergeben?«
»Ihr wisst, dass ich dazu bereit bin. Falls nötig würde ich jeden meiner Unterröcke verpfänden.«
»Das könnt Ihr nicht.« Er trat dich an mich heran. »Torquemada beobachtet jeden Eurer Schritte. Ihr habt ihn schon einmal zurückgewiesen, als er Euch bat, sie zu vertreiben, und er wird Euch noch einmal darum bitten, sobald die reconquista abgeschlossen ist. Ihr könnt ihnen nicht so viel Macht gewähren, dass sie am Ende in der Lage wären, Euch Widerstand zu leisten.«
»Die reconquista ist noch nicht vorbei«, erklärte ich ihm. »Und wenn mir der Kronrat nicht helfen kann, bleibt mir nichts anderes übrig. Bitte teilt Rabbi Señeor mit, dass ich ihn zu sehen wünsche.«
» Majestad , ich flehe Euch an. Was habt Ihr denn noch herzugeben?«
»Es ist besser, Ihr wisst es nicht, wenn es Euch solche Pein bereitet«, hielt ich ihm entgegen und schaute ostentativ zur Tür. Er ging wortlos hinaus.
Während ich auf Rabbi Señeor wartete, schlüpfte Inés herein, um sich zu erkundigen, ob ich etwas brauchte.
»Ja«, sagte ich, »bring mir die Schatulle mit meiner Halskette für die Hochzeit.«
Sie starrte mich entgeistert an, bis ich ärgerlich mit der Zunge schnalzte. »Muss ich mich wiederholen? Hol sie!«
Als sie zurückkehrte, klappte ich den Deckel der Schatulle zurück und betrachtete lange die für besondere Zeremonien gefertigte Perlen- und Rubinenkette, die Fernando mir vor unserer Hochzeit aus Aragón geschickt hatte. Oft hatte ich sie zur neidvollen Bewunderung unseres Hofs angelegt; sie war das greifbare Symbol unserer Liebe und nach der Krone mein am höchsten geschätztes Eigentum.
Entschlossen klappte ich die Schatulle zu und schloss die Augen.
»Lass mein Opfer deine göttliche Gnade wert sein«, flüsterte ich.
Am selben Abend vertraute ich die Schatulle Rabbi Señeor im Tausch gegen ein beträchtliches Darlehen an. Dann scheuchte ich mein ganzes Gefolge zusammen und brach am nächsten Morgen ohne weitere Umstände in einem tosenden Sturm nach Baeza auf.
Der zähe Schlamm auf den Gebirgspässen sog an den Hufen meines Pferdes. Da einige Straßen vollständig weggebrochen waren, mussten wir improvisierte Brücken über Flüsse bauen, die mit reißender Gewalt talwärts schossen. Zunehmend befielen mich Zweifel an Gottes Zuneigung, als ich, gegen die nadelspitzen Hagel- und Eisregenkörner die Augen zusammengekniffen, auf dem Sattel kauerte. Und es sollte noch schlimmer kommen. Noch nie hatte ich solches Elend gesehen wie das, was sich mir darbot, als ich zu guter Letzt das Lager erreichte.
Fernando erschien vor seinem Zelt, um uns zu begrüßen – ausgezehrt und verschmutzt, vom Schlafmangel mit dunklen Schatten um die Augen gezeichnet. Das
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