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Der Schwur der Königin

Der Schwur der Königin

Titel: Der Schwur der Königin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christopher W. Gortner
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erfahrene Männer anfordern, die das eine oder andere darüber wussten, wie sich störrische Festungen schleifen ließen.
    Nachdem ich alle arbeitsfähigen Männer in Trupps eingeteilt hatte, befahl ich ihnen, alles zu fällen. Zwar hatten sie die Wälder um das Lager herum abgeholzt und den Ansatz einer Öffnung zu der widerspenstigen Stadt auf ihrem Berg geschaffen, doch die vielen Obstbäume hatten sie verschont, denn wir waren ein Volk, das genügend Hungersnöte erlitten hatte. Jetzt ließ ich sie jeden Baum abhacken und ordnete Brandrodungen an, bis wir riesige freie Flächen geschaffen hatten. Aus all dem frisch gefällten Holz wurden auf meinen Befehl Palisaden, hohe Wände und Türme errichtet – ein neues Fort, das Baeza gegenüber auf dem kahlen Boden des Tales aufragte wie ein gigantischer Giftpilz.
    Hier verschanzten wir uns, vor maurischen Überfällen geschützt, für den Winter. Auch wenn Kälte und Schnee es der Armee momentan verboten, sich auf Auseinandersetzungen einzulassen, war ich nicht bereit, mich vom Wetter in meine Schranken weisen zu lassen. Auf meinen Befehl hin wurden all die Tiere, Vorräte, Kanonen und Belagerungsmaschinen, die ich von dem Erlös für die Halskette gekauft hatte, auf die mit Planen abgedeckte Wagen verfrachtet und über die tückischen Bergpässe transportiert. Im Frühling würden wir dann unsere Waffen vor Baezas ungläubigen Augen in Stellung bringen.
    »Wir werden noch mehr Männer brauchen, vor allem Bogenschützen, Kanoniere und Arkebusiere«, bemerkte Fernando, der sich inzwischen von seinen Strapazen erholt hatte und mit seiner Liebe zum Detail half, die Bauarbeiten zu beaufsichtigen.
    »Ich habe das alles schon angefordert«, versicherte ich ihm. »Aber hoffentlich werden wir es nicht benötigen.«
    Ich beugte mich über mein Reisepult und reichte ihm den Brief, an dem ich in den letzten sechs Wochen gefeilt hatte, bis ich das Gefühl hatte, jedes Wort, jede Formulierung richtig getroffen zu haben.
    Fernando las ihn schweigend. Schließlich hob er die Augen. »Isabella«, sagte er vorsichtig, »was du da vorschlägst, kommt einem Verrat gleich. Boabdil ist gewissenlos, das ja, und er hat nicht mehr Ehrgefühl als ein Köter, aber nicht einmal er würde sich auf diese Bedingungen einlassen. Sie bieten ihm ja überhaupt nichts außer dem Versprechen, ihn am Leben zu lassen, um das er sich gegenwärtig ohnehin nicht zu sorgen braucht.«
    »Ach ja?« Ich musterte ihn kritisch. »Hat sich Boabdil nicht schon einmal an uns verkauft? Und so dumm ist er nicht, dass er nicht wüsste, dass wir noch einmal zu ihm kommen werden, entweder mit einem Vertrag oder mit Truppen, die seine Tore stürmen. Und haben wir erst Baeza eingenommen, hat er niemanden mehr, an den er uns verraten kann. Unter diesen Umständen halte ich meinen Plan für sehr vernünftig.«
    »Vernünftig?« Fernando stieß ein dröhnendes Lachen aus. »Du forderst ihn auf, alles aufzugeben, sich gegen seine eigenen Leute zu wenden. Wenn er sich darauf einlässt, ist er noch feiger und dümmer, als ich das für möglich gehalten hätte.« Ein bewunderndes Grinsen breitete sich über sein Gesicht aus. »Das hätte ich dir nicht zugetraut.«
    »Wenn unser Königreich auf dem Spiel steht«, sagte ich, »bin ich dazu in der Lage. Und zu noch viel mehr.«
    Ich sandte meinen Brief unter völliger Geheimhaltung nach Granada. Die Antwort ließ nicht lange auf sich warten: Binnen wenigen Wochen meldeten mir meine Gesandten, dass Boabdil, wie ich es von Anfang an vermutet hatte, meine Bedingungen bereitwillig akzeptierte. Sobald sein Schreiben vor mir lag, verfasste ich einen Brief an El Zagal, von dem ich wusste, dass er Spione in Granada hatte und von seiner Zitadelle aus jede meiner Unternehmungen genau beobachtete, ohne selbst eine Möglichkeit zu haben, mein Handeln zu beeinflussen.
    Mein Angebot an ihn war kurz und bündig: Wenn er nicht wie schon in Málaga eine vernichtende Niederlage erleiden wollte, musste er kapitulieren. War er nicht dazu bereit, würde ich diesmal kein Pardon mehr geben. Dann würde ich meiner Armee befehlen, Baeza nicht nur dem Erdboden gleichzumachen, sondern die Erde, auf der es stand, zu verbrennen und jeden, der dort lebte, zu töten. Wenn er aber meine Bedingungen annahm, würde ich Gnade walten lassen. Ich würde sein Leben schonen und ihm Zuflucht in einem eigens für ihn ausgewählten Gebiet in Las Alpujarras gewähren, wo er mit seinen Angehörigen in Frieden leben und seine

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