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Der Schwur der Königin

Der Schwur der Königin

Titel: Der Schwur der Königin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christopher W. Gortner
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Bräuche ungestört ausüben könnte. Inzwischen hätte er ja begreifen müssen, ließ ich ihn wissen, dass am Ende wir die Sieger sein würden; selbst wenn unser Kampf unser Leben lang dauern sollte, wir würden nie aufgeben. Es bereitete mir eine diebische Freude, ihn darauf hinzuweisen, dass sein Neffe Boabdil ihm nicht zu Hilfe eilen würde, und zum Beweis eine unterschriebene Kopie unseres neuen Vertrags mit diesem Verräter beizufügen, in dem Boabdil versprach, uns nach Al Zagals Niederlage sein ganzes Reich im Tausch gegen seine Sicherheit zu überlassen.
    Danach verging noch ein Monat, in dem ich unsere Waffen unmittelbar unter Al Zagals Mauern aufstellen und die letzten Reste des herrlichen Waldes abholzen ließ. Schließlich traf El Zagals Antwort ein.
    Er war des Kämpfens müde. Er wusste mein Angebot zu schätzen, zog es aber vor, nach Nordafrika zu gehen. Was seinen Neffen Boabdil betraf, schrieb er:
    Lasst Granada fallen.
    Zum ersten Mal bekamen wir Granada im Frühling 1491 zu sehen, nachdem wir die Landschaft außen herum vollständig entwaldet hatten. Einmal mehr fielen auf meinen Befehl Obstgärten, Weizenfelder und Olivenhaine unseren Sicheln und Fackeln zum Opfer, sodass die eingekesselten Bürger von jeder Versorgung abgeschnitten waren.
    Trotz der verkohlten Felder vor ihren Mauern hatte noch nie eine Stadt so schön gewirkt wie diese aus allen Nähten platzende Metropole, die wir schon so lange begehrten – eine Wirklichkeit gewordene Fantasie, umrahmt von den schneebedeckten Gipfeln der Sierra und gekrönt von den honigfarbenen Türmen der Alhambra, um welche sich Girlanden aus Zypressen und Pinien wanden. Die Straßen verschlangen sich ineinander zu einem einzigen Labyrinth, in dem jetzt Tausende Flüchtlinge hausten: Juden, Mauren und falsche conversos , die alle Schutz vor der Zerstörung durch unseren Kreuzzug gesucht hatten.
    Im allerletzten Moment hatte Boabdil unseren Vertrag gebrochen. Seine Träume waren freilich zerplatzt, als er vom Fall Baezas erfuhr. Er hatte eindeutig nicht damit gerechnet, dass sein Onkel, El Zagal, sich ergeben würde. In aller Eile sicherte er seine Mauern mit Soldaten und Kanonen und schwor, Granada bis zu seinem letzten Atemzug zu verteidigen. Ich schäumte vor Wut über die himmelschreiende Missachtung unserer Bedingungen, aber da uns nun nach Baeza die Bruchstücke des einstmals erhabenen maurischen Emirats zu Füßen lagen, entschieden Fernando und ich, dass dieser letzte Sieg unblutig sein musste. Die Zeit war reif, dass der Granatapfel seine Frucht ohne jede Gewaltausübung unsererseits preisgab. So stellten wir einfach unsere Zelte und Pavillons auf, als feierten wir ein Spektakel, und brachten sogar unsere Kinder mit, um sie an diesem historischen Ereignis teilhaben zu lassen.
    Eine Tragödie hatte unsere Familie getroffen. Nur neun Monate nach ihrer Hochzeit war Isabéls junger portugiesischer Prinz nach einem Sturz von seinem Pferd gestorben, und sie war als Witwe nach Hause zurückgekehrt. Ich war ihr den ganzen Weg bis zur Grenze entgegengeritten, um sie heimzubegleiten. Die Veränderung an ihr hatte mich betrübt und schockiert. Spindeldürr in ihrer schwarzen Witwentracht, das wunderschöne goldfarbene Haar zu Stoppeln geschoren, unterbrach sie ihr unaufhörliches Weinen nur gelegentlich, um zu verkünden, dass sie in ein Kloster eintreten wolle. Zu meinem Entsetzen behauptete sie, Gott müsse sie bei sich im Himmel haben wollen, wenn er sie gar so sehr leiden ließe. Ich versuchte, ihr meinen Glauben nahezubringen, dass Gott einigen von uns die Berufung, ausschließlich Ihm zu dienen, in die Wiege gelegt hatte, ihre Reaktion aber gewiss eher von überwältigender Trauer herrührte. Doch was ich auch sagte, nichts drang zu ihr durch. Sie wies jeden Trost zurück – und das derart vehement, dass ich mehrere Ärzte und einen eigenen Hofstaat für sie berufen musste, die dafür sorgen sollten, dass sie genügend aß und schlief und nicht zu viel Zeit auf den Knien in der Kapelle verbrachte.
    Allein mit meinen Vertrauten in meinen Gemächern, machte ich aus meinem Herzen keine Mördergrube. »Ich habe eine goldene Infantin nach Portugal geschickt, und jetzt ist sie als Gespenst zurückgekehrt! Was, um alles auf der Welt, ist ihr nur zugestoßen? Dass eine meiner Töchter ein frommes Leben führen möchte, ist bewundernswert, aber sie hat eine Aufgabe in dieser Welt zu erfüllen, und die kann nicht in einem Kloster liegen!«
    Inés stieß

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