Der Schwur der Königin
nun zum Kampf nach Andalusien ziehen. Natürlich gilt in der Zeit ihrer Abwesenheit ihre größte Sorge der Sicherheit Eurer Hoheit.«
»Natürlich«, sagte ich trocken, doch in meinem Innern flammte Hoffnung auf. Cádiz war ein notorischer Unruhestifter, ein streitbarer Grande, der riesige Ländereien in Andalusien besaß und zeit seines Lebens eine erbitterte Feindschaft mit seinem Rivalen, dem Herzog von Medina Sidonia, gepflegt hatte. Zusammen hatten diese zwei Edelmänner aus dem Süden mehr Unheil angerichtet als die Mauren. Das Aufflammen ihrer Fehde konnte das ohnehin labile Gleichgewicht der Kräfte in dieser Region erschüttern. Andererseits würde eine solche Bedrohung der Stabilität unseres Reichs ein Treffen mit den Portugiesen verzögern. Da Enrique und Villena mindestens einen Monat unterwegs sein würden – Sevilla war noch weiter von Kastilien entfernt als Portugal –, bot mir dieser Konflikt eine günstige Gelegenheit, meine Fluchtpläne in die Tat umzusetzen.
Carrillo musste das genauso empfunden haben, denn binnen Tagen überbrachte mir Cárdenas Kunde vom Erzbischof. Meine Reisetruhen wurden mit dem Nötigsten gepackt; Inés schaffte sie in die Stallungen, wo sie sie unter dem Stroh verbarg. Danach verbrachten wir mehrere Wochen voll innerer Unruhe, in denen wir so taten, als gingen wir unseren täglichen Obliegenheiten nach – Beaufsichtigung des Haushalts, Sticken, Lesen, mit der Dämmerung ins Bett gehen, um Kerzen zu sparen –, während all das in Wahrheit nur dazu diente, Mencia in vermeintlicher Sicherheit zu wiegen. Als Inés mir meldete, dass Mencia sich mit einem der Soldaten eingelassen hatte, einem stämmigen jungen Burschen, mit dem sie sich jede Nacht davonstahl, musste ich einen höchst unschicklichen Jubelschrei unterdrücken.
»Und sie ist eine verheiratete Frau!«, schnaubte Inés. »Jede gewöhnliche Dirne hat mehr Schamgefühl.«
Ich sagte mir, dass angesichts der außergewöhnlichen Umstände Mencias fehlende Skrupel mich wirklich nicht zu kümmern brauchten, vor allem dann nicht, wenn die Ablenkung mir in die Hände spielte. So stellte ich mich völlig gleichgültig, als würde ich die Liebesflecken an ihrer Kehle und ihr verklärtes Lächeln gar nicht bemerken.
In der Nacht war sie wieder einmal zu einem Stelldichein hinausgeschlüpft, sobald sie meine Schlafkammertür hatte zufallen hören. Inés war sogleich nach unten geeilt, um die Tore zu öffnen. Jetzt konnten wir nur beten, dass die Soldaten, die hier immer durch die Gegend streiften, sich lieber in einer der Tavernen vergnügten, statt in der Kälte zu frieren. Die Kerben an der Kerze auf der Anrichte verrieten mir, dass es schon nach zwei Uhr am Morgen war. Die Wachposten würden doch sicher nicht zu dieser frühen Stunde vor dem Palast stehen …
Mit einem Mal waren auf der Treppe Schritte zu hören. Ich erstarrte. Die Vorstellung, das könnten Villenas Männer sein, ließ mir das Blut in den Adern gefrieren. War durchgesickert, dass ich mit Carrillo Briefe wechselte? Bestimmt beobachteten sie ihn in Yepes nicht minder aufmerksam als mich hier. Schließlich hatten sie auch meine Botschaften nach Aragón entdeckt. Dios mío , was, wenn sie jetzt kamen, um mich in Haft zu nehmen?
Und nun wurde an meine Tür geklopft. Ich unterdrückte ein Aufkeuchen. Dann hörte ich Inés flüstern: »Hoheit? Wir sind’s, Hoheit.« Ich schob den Riegel zurück und öffnete die Tür. Der Spalt offenbarte sie und zwei große Gestalten in Kapuzenumhängen.
Mit einem Seufzer der Erleichterung ließ ich sie herein. Inés’ Begleiter trugen beide Franziskanerkutten unter ihren Umhängen. In einem von ihnen erkannte ich auf Anhieb Chacón. Als der Größere die tief über sein Gesicht hängende Kapuze zurückschlug, lächelte ich übers ganze Gesicht. »Willkommen in Ocaña, ehrwürdiger Erzbischof.«
Carrillo schnaubte, die dichten Augenbrauen wie immer über der grimmigen Miene gesträubt. »Habe ich Euch nicht gesagt, dass sie versuchen werden, Euch etwas anzutun?« Sein Blick glitt durch mein Zimmer. »Beim gnädigen Gott, das sieht ja aus wie in einer Hütte für Arme! Haben die Kerle nichts Besseres für die nächste Königin Kastiliens gefunden?«
Mich amüsierte, dass er nach fast einem Jahr der Trennung so aufbrausend war wie eh und je. »Sie war durchaus tauglich«, meinte ich, »bis Villena beschloss, sie mit Spionen zu füllen.«
»Villena ist eine Schlange«, knurrte er, als wären er und der Marquis
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