Die Geliebte des Sonnenkönigs (German Edition)
I
Ein wundervoller Augusttag des Jahres 1661 neigte sich seinem Ende zu. Über den Türmen und den alten Befestigungsmauern des Schlosses La Vallière spann sich der Himmel mit zarten rosa Wölkchen. Ein bezaubernder Duft von Frische, ein sanfter Hauch des Friedens lag über dem stillen Schlosspark mit seinen weiten grünen Wiesenflächen, seinen Weihern und leise rinnenden Wassern, seinen dunklen, Schatten spendenden Eichenbäumen.
Hinter einem der Boskette in der Nähe des großen Teiches gurrte und schwirrte es von lustigen jungen Stimmen. Wie zwei weiße Tauben flatterten zwei junge Mädchen, dem Kindesalter kaum entwachsen, zwischen dem Grün hervor, ihnen nach ein paar wilde Knaben mit lautem fröhlichem Rufen.
„Halt doch, Louise — Rosalie — stehen bleiben — wir fangen das Spiel von vorne an — hört ihr denn nicht!”
Aber die beiden weißen Tauben waren davongeflattert wie der Wind, ohne sich auch nur nach den Knaben umzuschauen. Ärgerlich, dass der lustige Nachmittag auf La Vallière ein so rasches Ende haben sollte, hatten die jungen Leute kurz kehrtgemacht und waren dem Ausgang des Parks zu, auf der Straße nach Reugny, weiter geschritten.
Heiß und ein wenig außer Atem ließen sich die beiden Mädchen auf einer Bank, nahe dem Schlossaufgang, niedersinken.
„Warum eiltest du so, Louise? Das Spiel war doch so lustig! Ich spiele Blindekuh für mein Leben gern!”, fragte die kleinere der beiden, ein hübsches frisches Geschöpf mit schwarzem Haar und dunklen, lebhaften Augen.
„Die Mutter erwartet mich, Rosalie”, gab die andere mit einem leisen Seufzer zurück, indem sie die wundervollen blonden Locken aus dem zarten ovalen Gesicht strich.
„Sie hat mit mir zu sprechen. Ernstes, wie sie sagt.” Die kleine Rosalie machte betrübte Augen.
„Du wirst doch nicht schon wieder fort müssen von La Vallière? Das wäre gar zu traurig! Der Vater freut sich schon so darauf, dir die neuen Pflanzen zu zeigen, die er eigens für dich gezogen hat und die in nächster Woche ihre ersten Blüten ansetzen werden. Was willst du schon wieder in Blois bei den Orléans?”
Louise antwortete nicht gleich. Sie hatte den reizenden Kopf nachdenklich gesenkt und zog mit dem langen Stiel ihres Sonnenschirmes Figuren in den Sand.
Dann nach einer Weile sah sie mit traurigen Augen zu ihrer Jugendgespielin auf.
„Es ist ein Kurier vom Marquis de Saint-Remi gekommen. Vielleicht hat er nichts Gutes für mich gebracht.” Die Kleine trotzte auf.
„Ich verstehe deine Mutter nicht”, sagte sie ärgerlich, die junge Stirn in drollige Falten ziehend. „Ganz und gar nicht. Sie hat dich doch so lieb, weshalb denn richtet sie sich in allen Dingen, die dich betreffen, nach deinem Stiefvater?”
Louise lächelte ergeben.
„Sie haben mich beide lieb, Rosalie. Der Marquis ist wie ein wirklicher Vater für mich. Er kann für Cathérine nicht besser sorgen, als er es für mich tut.”
Die Kleine zog das Näschen kraus und zuckte skeptisch mit den runden Schultern.
„Du kommst doch heute Abend noch mal zu uns herunter, Louise? Die Eltern würden sonst sehr traurig sein.”
Louise nickte. Dann sprangen sie beide auf, die kleine lustige Gärtnerstochter und die immer ernster gewordene Louise von La Vallière. Und während Rosalie munter über die weiten Rasenflächen in das hübsche alte Gärtnerhaus zwischen den Pappeln zurücksprang, stieg Louise langsam und nachdenklich hügelauf, dem alten Schloss zu, über dessen Mauern die ersten Abendschatten krochen.
Die Marquise von Saint-Remi erwartete ihre Tochter. Liebevoll strich sie dem jungen Mädchen über das reiche blonde Haar und nötigte sie auf ein Taburett zu ihren Füßen.
„Mein liebes Kind”, sagte sie ein wenig feierlich — wie es letzthin ihre Art war, seit sie die Gattin Saint-Remis geworden —, „der Marquis und ich sind nach wohlerwogenem Überlegen zu einem Entschluss gekommen, den ich dir gerade hier in der Stille von La Vallière mitteilen möchte, damit du ihn in Ruhe in deinem Herzen bewegen kannst.
Du bist stets ein liebevolles, sanftes Kind gewesen, du wirst deinen Eltern keinen Widerstand entgegensetzen,
denn du weißt, was sie tun, tun sie zu deinem Besten.” Louise nickte stumm und hielt das blonde Köpfchen gesenkt. Erst als die Mutter wieder zu sprechen anfing und dabei über sie fort durch das geöffnete Fenster in die dämmernde Landschaft hinausblickte, hob sie die ausdrucksvollen blauen Augen mit traurigem gespanntem Blick
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