Der Schwur der Königin
eigene hohe Abkunft und Inés’ niederen Rang auf der Zunge, doch ich ließ sie gar nicht erst zu Wort kommen. »Ihr kümmert Euch jetzt um unser Abendbrot, Doña de la Cueva.« Die bewusste Verwendung ihres Ehenamens und die Zuweisung zu einer untergeordneten Aufgabe blieben nicht unbemerkt; nach einem neuerlichen, noch steiferen Knicks rauschte sie hinaus.
»Liebste Mutter Gottes, rette uns!« Inés stöhnte beim Entknoten meines Umhangs. »Warum ist sie hier?«
»Aus demselben Grund, warum sie dich damals zu mir geschickt hat: um bei mir zu spionieren, natürlich.« Besorgt eilte ich zu meinem Eichenpult. Ob Mencia dort schon herumgeschnüffelt hatte? Vor der Abreise zum Hof hatte ich in einem Geheimfach unter der untersten Schublade eine Mappe mit wichtigen Dokumenten verborgen. Sie umfasste Abschriften meiner Briefe an Fernando und seine Antworten sowie Kopien der Korrespondenz zwischen dem Erzbischof und König Juan von Aragón und meiner eigenen mit Torquemada. Zu meiner Erleichterung hatte Mencia das Versteck offenbar noch nicht entdeckt. Aber da sie nun hier war, würde in meinem Palast nichts mehr lange privat bleiben.
»Inés«, sagte ich ernst, woraufhin meine Kammerdame erschrocken vor mich hintrat. Ich reichte ihr die Mappe. »Gib das Cárdenas. Sag ihm, dass er es in den Stallungen verbergen soll.« Ich gestattete mir ein Lächeln. »Wie ich das sehe, hält Mencia sich für zu vornehm, um in Pferdemist zu wühlen.«
Allein in meinen Gemächern, begann ich, grübelnd auf und ab zu marschieren. Was sollte ich als Nächstes tun? Was konnte ich tun? Mit Villenas Männern überall in der Stadt und Mencia mitten im Palast, wie konnte ich da noch der Falle entgehen, die sie mir gestellt hatten? Villena selbst war zwar nach Segovia zurückgekehrt, aber nicht ohne mir ein unerfreuliches Ende anzudrohen, falls ich es wagte, Ocaña aus welchem Grund auch immer zu verlassen. Der Winter nahte, und solange Wind und Schnee das Land im Griff hatten, waren keine größeren Unternehmungen möglich. Doch spätestens im März würde die andere Seite sich mit den Portugiesen treffen. Dann konnten sie binnen Tagen eine Vereinbarung treffen und mich sofort holen. Noch vor meinem achtzehnten Geburtstag im April konnte ich mit König Alfonso verlobt sein.
Ich grub mir die Fingernägel in die Handfläche. Was ich brauchte, war ein Ruck, damit ich mich mit meinen Grübeleien nicht endlos im Kreis drehte. Ich musste ihnen entkommen und einen sicheren Ort finden. Jetzt herrschte Krieg zwischen Enrique und mir. Er mochte nicht offiziell erklärt sein, gleichwohl war es ein Kampf auf Leben und Tod.
Denn ganz gleich, womit mir mein Halbbruder drohte, ich würde Fernando heiraten oder niemanden.
Es war eine mondlose Nacht, kalt und still, wie das im März in Kastilien oft der Fall war. Das Land ruhte noch unter dem festen Griff des Winters.
Inés hatte mir angekündigt, dass Chacón Carrillo verkleidet durch das Stadttor schmuggeln würde. Als ich das hörte, kicherte ich nervös. Wie, um alles auf der Welt, wollte Chacón das bewerkstelligen? Der Erzbischof war doch sicher der auffälligste Mann im ganzen Reich – eine Respekt einflößende Gestalt in seiner karmesinroten Robe und mit dem um die Hüften gegürteten Schwert. Ich konnte mir nicht vorstellen, dass er sich irgendwo unbemerkt blicken lassen konnte. Aber unsere Briefe, die der wackere Cárdenas trotz der eisigen Stürme mit der Schläue eines Falken von und nach Ocaña beförderte, verhießen mir, dass Carrillo sehr wohl einen Weg finden würde.
Also wartete ich, schritt auf dem ausgetretenen Boden hin und her, unentwegt unruhig zur Tür spähend, durch die man mir die Freiheit oder mein Verhängnis bringen würde.
In den letzten fünf Monaten, in denen Cárdenas meine geheimen Briefe geschmuggelt und Inés mit Mencia einen Krieg um den Haushalt geführt hatte, hatten sich die Wächter im und um den Palast vermehrt wie die Heuschrecken. Allmählich sah es so aus, als hätte Villena eine ganze Armee in Ocaña aufmarschieren lassen. Und als mir die Genehmigung verweigert wurde, am Tag der Heiligen Drei Könige meine Mutter in Arévalo zu besuchen, fragte ich Mencia schließlich, warum sich eigentlich so viele Soldaten auf den Straßen und sogar vor unseren Toren tummelten.
Mit gespielter Gleichgültigkeit antwortete sie: »Ich glaube, es hat im Süden einen Aufstand unter Führung des rebellischen Marquis von Cádiz gegeben. Seine Majestät und Villena müssen
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