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Der Schwur der Königin

Der Schwur der Königin

Titel: Der Schwur der Königin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christopher W. Gortner
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hatten sie sich getäuscht. Mochte kommen, was da wollte, ich würde nicht zaudern, solange ich nicht überall für Gehorsam gesorgt hatte. So setzte ich meine Rechtsprechung fort, ohne auf Rang oder Geschlecht zu achten, und gestattete niemandem, der ein Verbrechen begangen hatte, seiner Strafe zu entgehen. Um Furcht vor mir und den so schamlos gebrochenen Gesetzen zu verbreiten, erklärte ich eines Tages für alle im Thronsaal Versammelten deutlich hörbar, dass mir nichts ein größeres Vergnügen bereitete, als einen Dieb die Stufen zum Galgen erklimmen zu sehen. Das ließ viele, die darauf warteten, ihr Anliegen vorzubringen, zusammenzucken, während andere sich gleich aus der Schlange stahlen und flohen.
    Schließlich fand sich der Bischof von Sevilla ein, um eine vertrauliche Audienz zu erbitten.
    Ich verscheuchte Medina Sidonia mit einer Geste, und als ich das Anliegen des Geistlichen vernommen hatte, war ich froh darüber. Der Bischof galt als freundlicher und barmherziger Mann, der auch der Wissenschaft zugetan war, doch die Worte, die ich aus seinem Mund vernahm, hatte ich nicht erwartet.
    »Eure Majestät haben sich als Inbegriff der Tugend erwiesen«, begann er, »doch die Bewohner von Sevilla … bekommen Angst. Viele haben die Stadt aus Furcht verlassen, dass mit Eurer Ankunft alle Türen für Hoffnung und Milde zugeschlagen worden sind.«
    Ich blickte Cárdenas stirnrunzelnd an. »Ist das wahr?«
    Mein Sekretär blätterte in einer Akte, bevor er ernst zu mir aufsah. »In der Tat, Majestad . Über hundert Fälle, die uns bisher vorgetragen wurden, sind unerledigt, weil entweder der Klageführer oder der Beschuldigte nicht zurückgekehrt ist, um das Urteil zu erfahren.«
    Verunsichert wandte ich mich wieder dem Bischof zu. »Davon wusste ich nichts. Ich bedaure, meinen Untertanen Angst eingeflößt zu haben, denn das war nicht meine Absicht.«
    »Das habe ich auch nie geglaubt«, beteuerte er hastig. »Es ist nur so, dass … Männer hier im Süden eher zu Bösem neigen, nachdem wir so lange unter untauglichen Fürsten und der ständigen Bedrohung durch die Mauren gelitten haben. Die Ankunft Eurer Majestät ist ein Segen, eine große Ehre, aber, wenn ich so offen sein darf, solche Missstände, wie diejenigen, die Sevilla heimsuchen, können nicht über Nacht behoben werden.«
    Seine Worte rüttelten mich auf. Plötzlich fiel es mir wie Schuppen von den Augen: Mein glühender Eifer, die Ordnung in Sevilla wiederherzustellen, war ein vergeblicher Versuch gewesen, mich selbst vor Gott reinzuwaschen und zu beweisen, dass ich immer noch Seiner Gnade wert war. Wegen meines oberflächlichen Strebens nach Erlösung hatte ich alles stehen und liegen lassen: meine Tochter, meinen Gemahl und meine Aufgaben in Kastilien. Wieder einmal hatte meine Eitelkeit die Vernunft verdrängt, genauso wie an jenem fürchterlichen Tag in den Feldern vor Tordesillas, als ich Fernando vor unserer Armee ausgescholten hatte.
    »Nein«, sagte ich leise, »wahrscheinlich nicht. Es war klug von Euch, mich darauf hinzuweisen, Eure Eminenz.« Ich erhob mich. Meine mit Juwelen besetzte Robe wallte mir um die Füße wie flüssiges Gold. Meine prachtvolle Krone grub sich mir tief in die Stirn. Wie gern hätte ich mich jetzt in meine Gemächer zurückgezogen und mich von diesen Insignien der Macht befreit, die mir auf einmal so bedeutungslos vorkamen.
    »Bitte sagt den Leuten, dass ich keinerlei Absicht habe, irgendjemandem Gnade zu verwehren«, bat ich ihn. »All jenen, die verurteilt worden sind, wird Amnestie gewährt, vorausgesetzt, sie brechen das Gesetz nicht wieder – allen außer den Häretikern und Mördern natürlich«, ergänzte ich.
    Der Bischof nickte. »Danke, Majestad.« Ich wandte mich schon zum Gehen, als er sich räusperte: »Was die Häretiker betrifft, da gibt es etwas, das ich Euch ans Herz legen möchte.«
    Ich blickte über die Schulter. »Ja?«
    »Die Juden«, sagte er, und bei diesem Wort schien sich der Saal um uns herum mit einem Schlag zu verdunkeln. »Hier in Sevilla ist der Hass gegen sie größer geworden. Im eigentlichen Sinne sind sie natürlich keine Häretiker, da sie ja nicht konvertiert sind; aber seit Eurer Ankunft hat es in ihrem Viertel mehrere Vorfälle gegeben, über die Ihr meiner Meinung nach Bescheid wissen solltet.«
    Mit einem Nicken ermunterte ich ihn fortzufahren, auch wenn mir davor graute, was er mir gleich eröffnen würde. Mir fiel der arme Mann wieder ein, dem man die Ziegen

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