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Der Schwur der Königin

Der Schwur der Königin

Titel: Der Schwur der Königin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christopher W. Gortner
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gestohlen hatte. Ich wollte mir lieber nicht vorstellen, wie viele schreckliche Verbrechen von der gleichen Sorte begangen worden waren, von denen ich nichts erfahren hatte.
    »Eine Familie aus dem Ghetto des Ziegenhirten, dessen Fall Euch vorgetragen wurde, ist kürzlich aus ihrem Haus verschleppt und zu Tode gesteinigt worden. Mehrere Synagogen sind verwüstet worden, und eine davon ist bis auf die Grundmauern abgebrannt. Vielen Juden wird das Recht verwehrt, auf dem Markt einzukaufen oder Handel zu treiben, anderen werden für dieses Privileg hohe Steuern abverlangt.« Der Bischof seufzte. »Leider ist nichts davon neu. Dieser Hass, er kommt und geht – wie eine Seuche. Aber jetzt benutzen einige der Wüstlinge die Gegenwart Eurer Majestät als Ausrede. Sie behaupten, die Königin von Kastilien dulde nicht die Nähe der Mörder Christi mitten in ihrem Land, und sie würden lediglich das Gesetz in die eigene Hand nehmen. Dabei habt Ihr persönlich dafür gesorgt, dass ein Jude Recht bekommen hat.«
    Ich erstarrte. »Wer immer behauptet, er würde in meinem Namen das Recht vollziehen, riskiert eine schwere Strafe. Die Juden dieses Reichs sind ebenfalls meine Untertanen und stehen als solche unter meinem Schutz.«
    »Sehr wohl. Leider haben vor nicht allzu langer Zeit Juden in Kastilien so Entsetzliches wie erzwungene Bekehrung oder Ermordung erlitten. Solches Elend möchte ich nicht noch einmal mit ansehen müssen. Es heißt, sie würden es selbst auf sich herabbeschwören, weil sie Reichtümer anhäuften, während Christen verhungerten, und weil sie sich mit den conversos verschwörten, um unsere Kirche zu zersetzen. Dafür habe ich allerdings nie Beweise gesehen.«
    Er überraschte mich. Ich hatte nicht erwartet, dass ein Mann der Kirche über Gräueltaten aus der Vergangenheit sprechen würde, die von unseren geistlichen Führern gebilligt worden waren, noch, dass er sich für die notleidenden Juden einsetzen würde.
    »Ich werde diese Angelegenheit überdenken«, versprach ich und warf Cárdenas erneut einen Blick zu. »Lasst sofort eine Verfügung verfassen, dass jede Belästigung von Juden oder Beschädigung jüdischen Eigentums umgehend streng geahndet wird. Lasst die Bekanntmachung auf jedem plaza der Stadt aufhängen.«
    Als ich mich wieder dem Bischof zuwandte, entdeckte ich in seinem Gesicht unverhüllte Bewunderung. »Ich muss zugeben, am Anfang war ich mir bei Euch nicht sicher«, gestand er. »Vor Euch haben wir auch schon Herrscher gehabt, die Wandel versprachen, aber Ihr, meine Königin, übertrefft alle Erwartungen. Euer Erlass wird viel bewirken, was Hilfe bei der Entschädigung für Unrecht betrifft, das dem sephardischen Volk angetan wurde. Allerdings« – er hielt inne, als müsse er sich die nächste Formulierung noch zurechtlegen – »wird das Konsequenzen nach sich ziehen. Wenige teilen Euren Gerechtigkeitssinn.«
    Ich lächelte. »Konsequenzen gehören nicht zu den Dingen, die ich fürchte. Lasst diejenigen, die mich missbilligen, zu mir kommen, dann werden sie beizeiten erfahren, wo die Königin von Kastilien steht.«
    Er verließ mich mit einer Verbeugung. Nachdem ich die übrigen Bittsteller dieses Tages angehört und mich zum Nachmittagsmahl an den Tisch gesetzt hatte, machte ich mir keine Gedanken mehr über meine eigenen Sorgen.
    Ich hatte Einblick in eine Zukunft erhalten, die ich um jeden Preis vermeiden wollte. Diese schwelende Zwietracht zwischen Juden und Christen konnte einen Feuersturm entfachen und weiter schüren, der sich auch auf das ganze übrige Kastilien ausbreiten würde. Nach dem Generationen währenden Aufruhr konnte ich es mir nicht leisten, unsere gerade erst gefundene, zerbrechliche Einheit Bedrohungen auszusetzen.
    »Wir müssen weitere Schritte zur Verteidigung der Juden ergreifen«, verkündete ich am nächsten Morgen vor dem versammelten Kronrat. »Auch wenn ich ihren Glauben nicht teile, werde ich nicht dulden, dass sie misshandelt oder willkürlich der Aufwiegelung von conversos beschuldigt werden. Wir sind immerhin gläubige Christen.«
    Ich hielt inne und bekam mit, wie mein Beichtvater, Fray Talavera, und Don Chacón einen wissenden Blick wechselten. Mein Haushofmeister war ergraut, bekam allmählich schütteres Haar, und sein großer, muskulöser Körper wurde mit dem Alter immer runder. Doch sein Verstand war scharf wie eh und je, und ich hatte gelernt, die wenigen Gelegenheiten zu schätzen, bei denen er seine Meinung äußerte.
    »Vielleicht

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