Der Schwur der Königin
wie könnte ich so weit weg von Euch ziehen?«
»Ich wage zu prophezeien, dass das für keine von uns beiden leicht sein wird«, erwiderte ich leise, »aber wir werden darüber hinwegkommen.« Ich ergriff ihre Hand, und augenzwinkernd schickte ich hinterher: »Außerdem könnte es sich als Segen erweisen, dich so nahe bei der Schatzkammer zu wissen. Wer weiß, vielleicht werde ich eines Tages dringend darauf angewiesen sein.«
Beatriz lachte. »Für Euch wird Andrés unter Einsatz seines Lebens darüber wachen.« Sie umarmte mich, und jetzt flossen die Tränen, die zu unterdrücken ich versucht hatte. »Vielleicht seid Ihr die Nächste«, flüsterte sie. »Ich bin sicher, dass Fernando Euch nicht vergessen hat.«
Nachdem sie mich verlassen hatte, um Cabrera zu schreiben, stellte ich mich nachdenklich ans Fenster. Es war jetzt zwei Monate her, dass Carrillo unseren Vorschlag nach Aragón geschickt hatte. Das Einzige, was wir bisher erhalten hatten, war ein steifes Kommuniqué von König Juan, dessen Augenlicht tatsächlich durch diese gefährliche Operation, von der Fernando geschrieben hatte, gerettet worden war. Auch wenn er großes Interesse bekundete, das Angebot einer Verbindung zu prüfen, enthielt sein Schreiben keinerlei verbindliche Zusagen. Carrillo versicherte mir, die Verzögerung hätte mit meiner Aussteuer zu tun. Aragóns Staatskasse sei leer, und die Ausrichtung einer Hochzeit mit einer kastilischen Prinzessin sei keine Bagatelle. Die Art und Weise, wie Carrillo bei diesen Worten die Nase rümpfte, gefiel mir nicht. Mir war es völlig egal, was Fernando in unsere Ehe einbrachte, solange ich nur ihn selbst bekam, doch Carrillo bestand auf der Einhaltung der Formalien.
Fernando hatte mir einen weiteren Brief geschrieben, in dem er mir zu Alfonsos Tod kondolierte und dann ausführlich seinen immer noch fortdauernden Kampf zur Rückeroberung der von König Louis von Frankreich geraubten pyrenäischen Gebiete schilderte. Unsere Hochzeit jedoch erwähnte er zu meiner Enttäuschung mit keinem Wort. Natürlich entsprach das den Gepflogenheiten, denn die Verhandlungen waren Angelegenheit der von uns bestimmten Vertreter. Dennoch verletzte mich seine Unterlassung unerwartet tief. Sein Brief wirkte geschraubt; nichts war zu spüren von dem gewohnten Überschwang – fast so, als schreckte er plötzlich vor unseren Plänen zurück, während ich gedacht hatte, die Worte müssten aus ihm heraussprudeln vor Freude, weil ich endlich unsere gemeinsame Zukunft angesprochen hatte.
Zunehmend befiel mich die Angst, etwas sei faul an der Sache, bis ich dem Mönch Fray Torquemada in aller Heimlichkeit schrieb, um seinen Rat zu erbitten. Offen konnte ich mich allein schon deshalb nicht an ihn wenden, weil ich mit einem solchen Ersuchen meinen eigenen Vertrag mit dem König brach, welcher vorsah, dass ich zuallererst Enrique um seine Erlaubnis bat, ehe ich eine Hochzeit mit Aragón überhaupt in Betracht zog. Aber ich musste einfach wissen, ob ich einen schlimmen Fehler gemacht hatte, ob ich mit dem Werben um Fernando hinter Enriques Rücken den Allmächtigen erzürnt hatte. Torquemada antwortete mir, dass er mich schon vorher wegen Enriques Schandtaten von jedem Gehorsamkeitsgelübde dem König gegenüber entbunden hatte. Erneut riet er mir, meinem Glauben als meinem Führer zu vertrauen.
Von meinen Gewissensbissen befreit, erwog ich zunächst, Carrillo von seiner Residenz in Yepes zu mir zu beordern und eine Erklärung für den Verzug zu verlangen, verzichtete dann aber darauf. Er sollte nicht erfahren, wie sehr ich inzwischen auf dieses Verlöbnis angewiesen war. Niemand sollte auf die Idee kommen, ich hinge romantischen Vorstellungen von einem Prinzen nach, den ich erst ein einziges Mal gesehen hatte – Vorstellungen, die ich sogar mir selbst gegenüber kaum einzugestehen wagte.
Oft dachte ich an Fernando, vor allem in den Nachtstunden. Ich sann darüber nach, wie er jetzt aussehen mochte, wie es ihm ging und ob er je an mich dachte. Über seine Unschuld in fleischlichen Dingen machte ich mir keine Illusionen. Männer waren nicht an dieselben Werte gebunden wir wir Frauen. Aber auch wenn mir die Vorstellung von ihm im Bett einer anderen Frau nicht behagte, sagte ich mir, dass ich das ertragen konnte, wenn er mir nur versprach, treu zu sein, sobald wir verheiratet waren.
Sobald wir verheiratet waren …
Das war meine Litanei geworden, mein Hoffnungsschimmer. Doch in dem Maße, in dem die Zeit ohne Nachricht
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