Der Schwur der Königin
Stiere von Guisando errichtet worden waren. Sie stammten aus heidnischen Zeiten vor unserer Geschichtsschreibung, unnahbare, stumme Symbole einer Epoche, als Kastilien ein zersplittertes, ungeweihtes Territorium gewesen war.
Gleichwohl empfand ich sie als passende, ja, ideale Zeugen meines ersten politischen Triumphs, wenn man ihn als solchen bezeichnen konnte. Die Stiere standen wenige Meilen vor Ávila in einem windumtosten Tal, das niemandem Deckung bei einem Hinterhalt bot. Und dort traf ich mich eines milden Septembermorgens, nur zwei Monate nach dem Tod meines Bruders, mit Enrique, um unsere neue Vereinbarung zu besiegeln.
Während ich dem König entgegenritt, schwitzte ich unter meiner schweren Robe, die mich zusammenschnürte und an Hunderten Stellen stach, weil Beatriz darauf bestanden hatte, sie mit einem Übermaß an Schmuck zu verschönern. Meine Vertraute war zusammen mit der Kammerzofe Inés de la Torre bei mir geblieben. Letztere hatte sich von ihrer früheren Herrin Mencia losgesagt und um Aufnahme in meine Dienste gebeten. Ich sah keinen Grund, sie abzuweisen. Zum einen hatte Inés mich nie verraten, zum anderen konnte ich ein zusätzliches Paar geschickte Hände ganz gewiss brauchen. Wie mir Beatriz mit ihrer üblichen Unverblümtheit zu verstehen gab, hatte mir angesichts meiner unsicheren Zukunft keine andere Hofdame ihre Dienste angeboten. Nicht zuletzt waren wir dringend auf Inés’ Schneiderkünste angewiesen. Meine Roben waren mir alle zu eng geworden, weil ich mich all die Wochen von der guten Klosterkost ernährt und meine Zeit nur immer im Knien verbracht hatte, anstatt mich ausreichend zu bewegen. Für die Begegnung mit Enrique benötigte ich jetzt jedoch königliche Kleider. Also machte sich Beatriz zusammen mit Inés daran, die Nähte meiner lilafarbenen Samtrobe aufzutrennen und die filigrane Silberborte mit Streifen aus bestickter Seide zu erweitern sowie neue mit Perlen besetzte Ärmel aus grünem Samt anzubringen. Darüber trug ich ein kurzes, mit Hermelin gefüttertes Cape – das unverkennbare Zeichen meiner königlichen Abkunft. Mein Haar fiel lose unter einer mit Juwelen geschmückten Haube und einem Schleier herab; selbst mein Canela trug edelstes Geschirr mit vergoldetem Halfter und vorzüglich gearbeitetem Ledersattel, in den meine Initialen graviert waren.
Gleichwohl war das alles nichts als Gepränge für den äußeren Eindruck, denn in Wahrheit konnte ich mir nach Alfonsos Bestattung und den regelmäßigen Zahlungen für den Unterhalt meiner Mutter kaum noch die Kleider auf meiner Haut leisten. Doch alle redeten auf mich ein, ich müsse den Schein wahren, wie es sich gehörte. Der Vertrag, den Carrillo mit Enrique ausgearbeitet hatte, würde mir – so hieß es – ein ausreichendes Einkommen garantieren.
Als ich Enrique inmitten seines Gefolges erspähte, fühlte ich mich in meiner höfischen Aufmachung lächerlich, denn er trug lediglich einen schlichten schwarzen Rock ohne jeden Schmuck, der ihn irgendwie hätte herausragen lassen. Er war sichtbar gealtert; tiefe Falten hatten sich um die Augenwinkel in seine Haut gegraben, und sein ungepflegter Bart war von weißen Strähnen durchzogen. Nichtsdestoweniger thronte er auf einem gewaltigen weißen Hengst – seine einzige Konzession an seinen Stand – und begegnete mir ohne jedes Zeichen von Beklommenheit oder Angst.
Ich befahl Carrillo anzuhalten. »Reitet auf ihn zu und begrüßt ihn. Ich folge mit meinen Bediensteten nach.«
»Nein«, zischte der Erzbischof, »er soll Euch zuerst begrüßen.«
Ich blitzte ihn entnervt an. Sein Beharren darauf, in jeder Situation den Eindruck zu erwecken, er hielte die Zügel in der Hand, hatte ich längst gründlich satt. Mithilfe eines Pferdeknechts stieg ich ab und schritt allein über das steinige Gelände zu der Stelle, wo Enrique wartete. Ich verkniff es mir, zu Villena und den Granden um ihn herum hinüberzublinzeln. Von ihnen hätte ich ohnehin nichts als einen verächtlichen Blick erwarten können. Es war über zweihundert Jahre her, dass Kastilien zuletzt eine Königin gehabt hatte, und der war es alles andere als gut ergangen.
Zu meiner Erleichterung kam mir Enrique entgegen. »Hermana« , murmelte er und beugte sich vor, um mich auf die Wange zu küssen. Ein penetranter Geruch nach Pferd, Schweiß und ungewaschener Haut stieg mir in die Nase. Er sah mir in die Augen. »Alfonsos Tod hat mich in tiefe Trauer gestürzt, aber jetzt bin ich überglücklich, dich
Weitere Kostenlose Bücher