Blutgesicht
Blut!
Jane Collins sah das Blut und das Gesicht. Hager, böse, verzerrt, mit Augenbrauen, die sich aufeinander zu schoben, als wollten sie sich auf der Stirn treffen. Der breite Mund mit nach unten verzogenen Mundwinkeln, damit das spitze Kinn noch stärker hervortreten konnte.
Und natürlich das Blut!
Es sickerte aus den Mundwinkeln, aus den Augen. Verließ als schmale Streifen die Nasenlöcher, wobei es von der nach vorn geschobenen Unterlippe aufgefangen wurde. Die eingefallenen Wangen waren ebenfalls durch Bluttropfen verschmiert, und die Augen zeigten einen bösen, stechenden Blick.
Das Gesicht schwebte heran. Es bewegte sich lautlos. Es kam aus einer anderen Welt, die mit einer dichten Schwärze gefüllt war. Lange, braune Haare umwehten das Gesicht, das jedoch keiner Frau, sondern einem Mann gehörte. Die Haarflut wippte auf und nieder, faltete sich hinter dem Kopf und fiel wieder zusammen.
Dann öffnete sich der Mund. Er zog sich dabei noch mehr in die Breite, um Platz für die Zunge zu schaffen, die ihren Weg nach draußen fand. Eine spitze Zunge. In verschiedenen Farben schimmernd. Von rosig bis zum fast schon dunklen Violett. Ein widerliches Bild. Einfach abstoßend und ekelerregend.
Ein fürchterliches Bild, ein schrecklicher Traum, aus dem die Detektivin Jane Collins plötzlich erwachte. Allerdings auch, weil sie die Berührung an der Wange gespürt hatte.
Jemand war gekommen und hatte sie angefaßt. Jane sah die Person nicht, da sie an ihrer linken Seite stand und sie selbst nur nach vorn schaute. Aber berührt worden war sie.
Lady Sarah Goldwyn war gekommen. »He, Jane, was ist denn los mit dir? Was hast du? Schläfst du schon am späten Vormittag? Das ist bei dir wirklich selten.«
Jane nickte und atmete tief durch. »Ich weiß«, flüsterte sie mit kratziger Stimme. »Das ist auch selten.« Sie hob die Schultern, weil sie plötzlich fror. »Aber ich muß tatsächlich eingeschlafen sein. Einfach so, verstehst du?«
»Ja, das habe ich gesehen.« Die Horror-Oma verließ ihren Platz und setzte sich auf einen Stuhl. Aus dieser Position konnte sie die Detektivin anschauen. Sie tat es und schüttelte dabei den Kopf. »Weil es so selten ist, habe ich mich gewundert. Ich hatte gerufen. Du hast mich nicht gehört. Dann bin ich zu dir hochgekommen und sehe dich in einem Sessel sitzend schlafen. In der Tat ungewöhnlich.«
Jane zuckte mit den Schultern. »Was soll ich machen? Ich war irgendwie kaputt. Von der Rolle.«
»Du hast nicht gut ausgesehen, Jane.«
»Ach. Wie meinst du das?« Die Detektivin versuchte, sich nichts anmerken zu lassen. Der Traum wirkte bei ihr noch nach, denn das Gesicht schwebte immer wieder hoch, als würde es aus irgendwelchen Eluten steigen, um sich ihr zu zeigen.
»Das ist schwer zu sagen. Man sieht es einem Menschen ja an, ob er entspannt ist oder ob er im Schlaf leidet. Bei dir hatte ich eher den Eindruck, als würdest du leiden. Stimmt das?«
Jane Collins ließ sich Zeit mit der Antwort. Ihre Lippen waren trocken geworden. Sie leckte darüber hinweg, um sie zu befeuchten. »Nicht eben leiden«, gab sie zu, »doch der Traum war schon da. Und er war auch nicht gut oder positiv…«
»Schlimm?«
Jane nickte. »Wie schlimm?«
Die Antwort gab die Detektivin mit leiser Stimme. »Es war ein Gesicht, Sarah. Ein böses, ein widerliches Gesicht. Hager, düster, mit unheimlichen Augen. Und blutig.«
»Wie bitte?«
»Ja – blutig.«
Sarah sagte zunächst nichts. Sie wollte Jane nicht durcheinanderbringen und wartete darauf, daß sie etwas sagte, doch die Detektivin schwieg. Sie blickte an Sarah vorbei zum Fenster hin, als könnte sie das Gesicht hinter der Scheibe sehen, gegen die sich die graue Dämmerung des späten Nachmittags drückte.
»War das Gesicht denn verletzt? Hast du irgendwelche Schnittwunden sehen können?«
»Nein, das nicht.«
»Es hat trotzdem geblutet?«
»So ist es. Das Blut rann aus dem Mund, der Nase. Sogar aus den Augen, glaube ich. Ich stehe noch immer unter diesem Eindruck. Es war ein schlimmer Traum.«
Sarah Goldwyn lächelte. Sie spielte dabei mit einer der vier Ketten, die um ihren Hals hingen. In ihre Augen trat so etwas wie ein beruhigender Blick. »Sei doch froh, Jane, daß es nur ein Traum gewesen ist. Alles war ein Traum.«
»Das stimmt schon.«
»Dann wirst du ihn vergessen.«
Jane schluckte und räusperte sich. Wieder fror sie. Der braune Pullover war ihr plötzlich nicht mehr warm genug. Ihre Kälte kam von innen. Sie war eine
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