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Der Schwur der Königin

Der Schwur der Königin

Titel: Der Schwur der Königin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christopher W. Gortner
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ausspionieren kann.«
    »Dann schlage ich vor, dass Ihr von Kastilien fortzieht«, entgegnete der Erzbischof. »Denn wenn Ihr unbedingt darauf besteht, Enriques Recht auf den Thron zu bestätigen, seid Ihr in diesem Reich nirgendwo sicher, auch dann nicht, wenn Ihr Fernando geheiratet habt.«
    Meine aufgestaute Wut kochte in mir hoch. Fast hatte ich das Gefühl, sie versenge mir die Kehle. Ich konnte nicht glauben, dass er bloß gekommen war, um mich auszuschelten. War er wirklich so arrogant, dass er meinte, mich wie ein Kind einschüchtern zu können, bis ich mich seinem Willen unterwarf? Wenn ja, beging er einen schweren Fehler.
    Chacón und Inés verfolgten stumm, wie der Erzbischof und ich uns voreinander aufbauten wie zwei Duellanten. Dann stieß Carrillo unvermittelt einen seiner dramatischen Seufzer aus. Mit einem Griff in die Tasche seiner Kutte förderte er einen Lederzylinder zutage, wie ihn Boten verwenden.
    Schlagartig hielt ich die Luft an.
    Er lachte unsicher. »Kann ja nichts schaden, wenn man erst noch ein wenig wartet, um sicherzugehen, nicht wahr? Es hätte ja sein können, dass Eure Hoheit es sich anders überlegt hat.«
    Ich stieß die Luft aus. Dann nahm ich ihm den Zylinder aus der Hand und zog mich damit zu meinem Pult zurück, wo ich den Deckel aufdrückte und ein zusammengerolltes Pergament mit daran baumelnden Siegeln herausschüttelte. Schließlich las ich die langen Paragrafen, ohne die geschraubten Formulierungen wirklich zur Kenntnis zu nehmen – die Vereinbarungen und gegenseitigen Bestätigungen zur Festlegung der Einzelheiten der Statusfragen, die jeder königlichen Verbindung zugrunde lagen. Statt mich damit zu befassen, widmete ich mich der letzten Zeile. Dort stand in der Handschrift gekritzelt, die ich so gut kennengelernt hatte: Yo, Fernando de Aragón.
    Er hatte unsere Verlobung unterzeichnet. Er wollte mich immer noch.
    Ich war zu keiner Regung fähig. Hatte ich dieses Dokument erst unterschrieben, würde es kein Zurück mehr geben. Obwohl ich keinerlei Wunsch hegte, seinen Thron zu usurpieren, würde Enrique das als Kriegserklärung betrachten; er hatte mir verboten, ohne sein Einverständnis irgendwelche Vereinbarungen anzustreben, und sobald er von meiner Auflehnung gegen seinen Willen erfuhr, würde er zurückschlagen. Ich war drauf und dran, für einen Prinzen, den ich seit Jahren nicht mehr gesehen hatte, alles aufs Spiel zu setzen – meinen Rang in der Thronfolge, meine Zukunft als Königin, vielleicht sogar mein Leben.
    Meine Hand hielt über der Feder in meinem Tintenfass inne.
    »Und der Dispens?«, fragte ich.
    »Er wird rechtzeitig zur Hochzeit eintreffen. König Juan und ich haben schon in Rom darum ersucht.« Carrillo musterte mich mit stetem Blick. Chacón und Inés standen wie Statuen neben der Tür. Es schien, als hielte der ganze Palast die Luft an; die Stille war so tief, dass ich irgendwo auf den Feldern jenseits meiner Mauern einen Hund bellen hörte.
    Mit geschlossenen Augen beschwor ich die Erinnerung an Fernando herauf, so wie ich ihn zuletzt in Segovia gesehen hatte, die braunen Augen voller Ernst, als er meine Hand ergriff. Wir können unsere Reiche enger miteinander verknüpfen und Frieden zwischen ihnen schaffen  …
    Ich tauchte die Feder in die Tinte und schrieb sorgfältig Yo, Isabél de Castilla unter den Vertrag.
    Es war vollbracht. Ob zum Guten oder zum Schlechten, ich war mit Fernando verlobt.
    Ich wandte mich an Carrillo. »Was ist mit meiner Unterkunft? Unter diesen Umständen kann ich wohl kaum hierbleiben.«
    »Nein, das könnt Ihr nicht.« Er trat heran und bestäubte meinen Eid mit Sand. »Ich glaube, Valladolid ist das Beste für Euch. Die Stadt hat ihre Treue zu Euch kundgetan, und wir haben dort vertrauenswürdige Freunde. Zuerst reisen wir nach Madrigal, wo wir übernachten werden. Hoffentlich wird Fernandos Großvater, der Admiral, bis zu unserer Ankunft seine Truppen versammelt haben. Valladolid ist sein Zuständigkeitsbereich. Er wird für Euren Schutz sorgen, solange die Ehevereinbarung nach Aragón unterwegs ist.«
    »Ich verstehe.« Ich musste ein Lächeln unterdrücken. Ich hätte nicht an ihm zweifeln dürfen. So launenhaft und berechnend er auch sein konnte, kein Mann verstand es besser als Carrillo, eine Verteidigungsmacht in Stellung zu bringen.
    Er räusperte sich. »Wie gesagt, ich fand es nicht verwerflich, Euch zunächst noch etwas zu prüfen. Wenn Ihr statt des Altars die Schlacht um Euren Thron gewählt

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