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Der Schwur des Maori-Mädchens

Der Schwur des Maori-Mädchens

Titel: Der Schwur des Maori-Mädchens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Laura Walden
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recht, denn er hing an seinem Leben. Allein aus Liebe zu seiner Frau durfte er nicht im Kerikeri verschwinden. Ihm wurde ganz warm ums Herz bei dem Gedanken an sie. Er liebte sie mehr als sein Leben. Nein, das konnte er ihr nicht antun. Und er durfte sie auch nicht mit ihrem gemeinsamen Sohn allein zurücklassen. Sie war dem Bengel nicht gewachsen. Er war ein wilder Bursche, und wer konnte schon wissen, wo er endete, wenn ihm die väterliche Strenge fehlte? Wenn er nur daran dachte, dass der Kerl trotz all der Schläge immer wieder nach Kororareka durchbrannte, nur um sich mit dem Abschaum herumzutreiben. Dabei war der Bengel erst vierzehn. Sein eigenes Aufseufzen riss den Reverend aus seinen trüben Gedanken. Er straffte die Schultern. Handeln musste er, nicht grübeln.
      »Nun entscheide dich! Ich habe nicht ewig Zeit. Willst du mir den Jungen verkaufen oder nicht?«
      Der Häuptling aber hörte ihm gar nicht mehr zu. Er war damit beschäftigt, das Geld zu zählen. In seinem Gesicht stand die Frage geschrieben, wie viele Musketen er wohl dafür bekommen würde.
      Der Missionar setzte jetzt alles auf eine Karte. Er trat dem Häuptling entgegen und nahm ihm wortlos das Geld aus der Hand.
      »Dann eben nicht«, murmelte er betont gleichgültig und wandte sich zum Gehen. Sein Herz klopfte wie wild, denn was sollte er tun, wenn der Häuptling ihn nicht zurückrief? Einfach nach Hause zurückkehren und so tun, als hätte er nichts gesehen? Er holte tief Luft und zählte leise und stumm bis drei.
      »Warte, Pakeha! Nun warte doch!«, hörte er die schmeichelnde Stimme des Häuptlings hinter sich. Der Reverend verkniff sich ein Lächeln und wandte sich betont gleichgültig um.
      Der Häuptling gab seinen Leuten ein Zeichen, den Jungen aus dem Wasser zu holen. Kaum waren sie mit ihm am Ufer angekommen, stieß der Häuptling ihn hinüber zum Reverend. »Nimm ihn! Die Ahnen werden uns nicht zürnen, wenn wir ihn verkaufen.«
      Der Junge kam ins Straucheln, doch er fand im letzten Moment wieder festen Tritt unter den Füßen. Kaum war er auf dem Trockenen angelangt, verschränkte er trotzig seine Arme vor der Brust.
      »Ich gehe nicht mit! Ich gehöre zu meinen Leuten«, verkündete er und reckte das Kinn trotzig vor.
      Der Reverend starrte den störrischen Jungen fassungslos an. War das der Dank, dass er ihm das Leben gerettet hatte?
      »Du gehörst nicht zu uns«, spuckte der Häuptling verächtlich aus.
      »Aber sie gehört zu mir!«, erwiderte der Junge und deutete auf das Mädchen, das erneut zitternd hinter den Männern hervorgetreten war und sie alle stumm aus großen, schreckensweiten Augen anblickte.
      »Sie spricht nicht mehr, seit unsere Eltern getötet wurden, und ich gehe keinen Schritt ohne sie«, erklärte der Junge mit fester Stimme.
      Der Reverend war unschlüssig. War das Mädchen die Schwester? Er begriff, dass der Junge sie nicht zurücklassen wollte, aber er befürchtete, dass der Häuptling nicht bereit war, weitere Geschäfte mit ihm zu tätigen. Und vor allem, womit sollte er ihn bezahlen? Und noch etwas anderes bereitete ihm Unbehagen. Dem Jungen fehlte es an jeglicher Demut. Er war stolz. Zu stolz. Der Reverend schätzte ihn auf zehn oder elf Jahre. Jedenfalls für jünger als seinen Sohn, aber nicht minder eigensinnig. Ob dieser Junge ihm eines Tages ebenso viel Ärger bereiten würde wie sein eigener? Ja, der Reverend fühlte es beinahe körperlich. Ein kalter Schauer rieselte ihm über den Rücken. Doch nun konnte er nicht mehr zurück. Das hätte er sich vorher überlegen müssen. Wenn er auf leisen Sohlen umgekehrt wäre und sich fortgeschlichen hätte ... Ihm wurde mulmig zumute. Was holte er sich da ins Haus, und wie würde seine Frau reagieren, die ohnehin nicht so gut mit den Maori auskam? Sie behauptete immer, diese Menschen seien als Krieger geboren und spielten ihnen den Frieden nur vor, um jederzeit losschlagen zu können. Nämlich dann, wenn sie das Vertrauen der Pakeha erschlichen hätten. Der Reverend teilte diese Ansicht nicht. Er glaubte daran, dass sie alle den Weg zu seinem Gott finden und ihre heidnischen Bräuche über kurz oder lang aufgeben würden.
      In diesem Augenblick aber überfielen ihn gewisse Zweifel, jedenfalls was diesen Jungen betraf. Sein dunkles, für einen Maori auffallend kantiges Gesicht, das kein Tattoo schmückte, strahlte etwas Unbezähmbares aus, etwas, das ihm große Sorge bereitete.
      Der Reverend straffte erneut seine

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