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Der Schwur des Maori-Mädchens

Der Schwur des Maori-Mädchens

Titel: Der Schwur des Maori-Mädchens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Laura Walden
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fasziniert die Einfahrt in den Hafen von Auckland beobachtete?, schoss es Vivian durch den Kopf.
      Täuschte sie sich, oder legte er seine Hand nun absichtlich so dicht neben ihre, dass sie einander berühren mussten? Wütend zog sie die Hand weg und wechselte, ohne ein Wort zu sagen, ihren Platz.
      Die Inseln kamen immer näher, und Vivian schlug das Herz bis zum Hals. Das war mehr, als sie sich erträumt hatte. Noch niemals zuvor hatte sie so grünes Wasser gesehen. Sie hatte ein Buch über ihre neue Heimat mit an Bord genommen und es förmlich verschlungen. In diesem Werk wurden wahre Hymnen auf die unglaublich schöne Natur Neuseelands gesungen. Gletscher, tropische Wälder, Wasserfälle, weite Strände ... Und die Natur war das Einzige, worauf sich Vivian von Herzen freute, weil sie sich vorstellte, dass dieses ganze Land mehr zu bieten hatte als der Regent's Park. Das war die Art von Natur gewesen, die sie bislang gekannt hatte, abgesehen von den wenigen Ausflügen an die Küste. Auf das Meer war sie besonders gespannt gewesen ... Und nun war es von diesem unbeschreiblichen Grün.
      Trotzdem wäre sie viel lieber in London geblieben, aber sie war erst achtzehn und hatte keine Verwandten in der Stadt. Die Eltern ihrer Freundin Jane hätten sie zwar gern bei sich aufgenommen, aber Vivians schlechtes Gewissen wegen ihres allerletzten Streites mit der Mutter war so übermächtig, dass sie sich nicht traute, sich deren Letztem Willen zu widersetzen. Außerdem hatte sie es ihr geschworen. In gewisser Weise sah sie diese Reise auch als Strafe dafür an, dass sie nicht in Frieden mit ihrer Mutter auseinandergegangen war. Hatte Mary nicht stets nach einem Streit gebeten, sich schnell wieder zu versöhnen? »Es kann ja einem von uns etwas zustoßen, und dann verzeihen wir uns nicht, dass wir uns im Bösen getrennt haben«, hatte sie stets gemahnt. Vivian hatte das nie so ganz ernst genommen. Nun musste sie schmerzhaft erkennen, wie recht ihre Mutter damit gehabt hatte. Vivian kämpfte mit den Tränen bei dem Gedanken, dass sie keine Gelegenheit mehr für eine Entschuldigung haben würde. Und erneut fragte sie sich, was dieser Mann, zu dem ihre Mutter sie geschickt hatte, für ein Mensch sein mochte. Töchterliche Gefühle wollten sich bei ihr jedenfalls nicht einstellen. Dazu hatte sie ihre Mutter viel zu sehr geliebt. Obwohl Mary immer nur gut von Peter gesprochen und sogar behauptet hatte, er habe sie geliebt, hatte das auf Vivian nicht abgefärbt. Sie war nicht bereit, ihm zu verzeihen, dass ihre Mutter ein Leben lang gelitten hatte. Ja, sie ging so weit, auch die tückische Krankheit, die Marys Körper langsam zerfressen hatte, auf den feigen Abgang ihres Vaters zurückzuführen. Was gab es Gemeineres als einen Mann Gottes, der eine junge Frau schwängerte, ihr die Ehe versprach und sich am Tag der Geburt des Kindes auf Nimmerwiedersehen absetzte? Vivian wurde allein bei dem Gedanken daran flau, diesem Kerl gleich begegnen zu müssen, doch dann zog das Anlegemanöver ihre ganze Aufmerksamkeit auf sich. An der Pier standen Hunderte von aufgeregt winkenden Menschen, als der Dampfer festmachte. Die Geräuschkulisse war gewaltig. Quietschendes Eisen, Stimmengewirr, das Tuten des Schiffshorns, eine Kapelle, die zu ihrer Ankunft spielte ...
      »Ich bin gespannt, wer meiner ist«, sagte eine junge Rothaarige aus einem Pulk von Frauen direkt neben ihr kichernd und deutete nach unten. Vivian erblickte eine laut grölende Gruppe grobschlächtiger Kerle, die den Frauen Handküsse zuwarfen. Vielleicht stimmte es ja wirklich, was Jane ihr scherzhaft zum Trost mit auf den Weg gegeben hatte. »Ich beneide dich glühend, es soll in Neuseeland viel mehr heiratswillige Männer geben als hier. Also, wenn ich in London keinen finde, komme ich nach ...«
      Unwillkürlich musste Vivian lächeln, doch das verging ihr schon in demselben Augenblick wieder. Du bist keine Frau zum Heiraten, hatte ihr einmal ein junger Mann, mit dem sie öfter ausgegangen war, an den Kopf geworfen, nachdem sie sich geweigert hatte, allein mit ihm in seine Wohnung zu gehen. Einmal abgesehen von der Erfahrung mit diesem unverschämten Kerl war sie ohnehin nicht sonderlich daran interessiert, eine Ehefrau zu werden. Sie träumte davon, für eine Zeitung zu schreiben. Ihre größte Angst war allerdings, so wie ihre Mutter allein mit einem Kind sitzen gelassen zu werden. Deshalb empfand sie kein großes Bedürfnis, überhaupt mit Männern auszugehen. Und

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