Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Schwur des Maori-Mädchens

Der Schwur des Maori-Mädchens

Titel: Der Schwur des Maori-Mädchens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Laura Walden
Vom Netzwerk:
schwarzes Haar, das sie züchtig eingerollt und aufgesteckt trug, einen dunklen Teint und große braune Augen. Ihr außergewöhnliches Aussehen hatte ihr in London oft scheele Blicke der Frauen eingebracht, während die Männer sie sehnsuchtsvoll angestarrt hatten. Das hatte sie nur noch stärker werden lassen. Sie hatte sich schließlich damit abgefunden, eine Außenseiterin zu sein. Eine Exotin, wie die Mädchen in der Schule sie, nicht immer unbedingt nett gemeint, genannt hatten.
      Natürlich hatte sie ihre Mutter mehr als einmal mit der Frage bedrängt, warum sie eine so dunkle Haut, dunkle Augen und dunkles Haar besaß, während deren eigenes Gesicht von vornehmer Blässe gewesen war. Ihre Mutter Mary hatte ihr etwas von einem italienischen Vorfahren erzählt.
      O Mutter, dachte Vivian und fühlte die Schamesröte auf ihren Wangen brennen, während sie sich daran erinnerte, wie wütend sie diese noch kurz vor deren Tod angegangen war. Am Abend, als Mary ihr das Billett für die Prinzessin Beatrice und diese Adresse in Auckland gegeben hatte. Sie erinnerte noch den genauen Wortlaut ihres heftigen Streites.
      »Du fährst nach Neuseeland zu deinem Vater«, hatte ihr die Mutter mit ihrer sanften und von der langen Krankheit bereits geschwächten Stimme zu erklären versucht.
      »Zu meinem Vater?«, hatte Vivian wutentbrannt geschrien. »Du meinst doch nicht etwa den Mann, der dich nach meiner Geburt sang- und klanglos verlassen hat und in seine Heimat geflüchtet ist. Ans andere Ende der Welt, damit du ihn ja nicht findest, oder?«
      »Vivi, du bist ungerecht, er hat immer für uns gesorgt.«
      Vivians Antwort war ein hässliches Lachen gewesen. »Gesorgt? Er hat dir Geld geschickt. Er hat dich bezahlt.«
      Ihre Mutter war in Tränen ausgebrochen, aber selbst das hatte Vivians Zorn nicht bezähmen können.
      »Ich habe dich das noch nie gefragt, aber bevor du mich zu diesem Kerl schickst: Hat er vielleicht eine dunkle Hautfarbe? Habe ich das etwa von ihm? Ist er der Italiener?« Letzteres hatte sie mit einem spöttischen Unterton gesagt.
      »Nein, dein Vater ist kein Italiener, kein ... nein, er ist hellhäutig wie ich«, hatte Mary gequält entgegnet.
      »Ach, dann hat er dich vielleicht verdächtigt, dass ich von einem anderen Mann bin, und hat er sich deshalb aus dem Staub gemacht? Bin ich etwa von einem ganz anderen Mann als ihm, und du wolltest das vertuschen?«, hatte Vivian unbarmherzig spekuliert.
      »Bitte, Vivi, nichts von alledem. Er ist dein leiblicher Vater. Warte, bis du auf dem Schiff bist. Ich habe dir ein paar Zeilen geschrieben, damit du verstehst, was ...«
      »Und warum sagst du mir nicht einfach die ganze Wahrheit? Hast du Sorge, ich würde dann nicht auf das verdammte Schiff gehen? Aber das werde ich auch ohne deinen Brief nicht tun. Ich bleibe bei dir!«
      Mary hatte daraufhin nach ihrer Hand gegriffen und unter Tränen gefleht: »Es ist mein Letzter Wille. Er ist doch dein Vater. Versprich es mir!«
      »Aber er will mich nicht. Glaubst du, ich fahre um die halbe Welt, damit er mich wieder zurückschickt?«
      »Ich habe ihm geschrieben, dass und wann du ankommst.«
      »Ach ja? Und er hat Freudensprünge aufgeführt?«
      Mary schlug die Augen nieder. »Er freut sich auf dich.« Das klang schwach.
      Vivian hatte kein Wort geglaubt, doch als ihre Mutter sich schließlich in Krämpfen gewunden und verzweifelt ihre Hand gedrückt hatte, war sie bereit gewesen, ihren Widerstand aufzugeben.
      »Mutter, ich schwöre dir: Ich gehe auf dieses Schiff. Ich fahre nach Neuseeland«, hatte sie unter Tränen versprochen.
      Daraufhin war Mary in einen tiefen Schlaf gefallen. In einen Schlaf, aus dem sie nicht mehr erwachen sollte. Aber das hatte Vivian erst am nächsten Morgen gemerkt, als sie ihre Mutter hatte waschen und ihr das Frühstück bringen wollen. Vivians durchdringender Schrei hatte sogar die Nachbarn herbeigeholt.
      »Na, so allein, junge Frau? Gibt es jemanden, der Sie abholt, oder soll ich Sie in dem Wagen mitnehmen, der mich erwartet?«, hörte Vivian wie von ferne eine männliche Stimme fragen. Sie fuhr herum und blickte einem untersetzten älteren Herrn mit schlohweißem Haar geradewegs in das vor Aufregung gerötete Gesicht. Wie sie diese Blicke anekelten. Was dachte sich so ein alter Mann eigentlich dabei, sie zu einer Autofahrt einzuladen? Würde er das auch bei der hochgewachsenen blonden Schönheit wagen, die links von ihr stand und ebenfalls

Weitere Kostenlose Bücher